Rütter – Das Magazin

TIERSCHUTZ

Hast du dich für ein aufgewecktes oder ungestümes Tier entschieden, darfst du nun natürlich auch schon erste Grenzen setzen, Taburäume definieren usw. Gerade bei Second- hand-Hunden überwiegt oft das Mitleid und die Konsequenz in der Erziehung kommt zu kurz. Dabei ist es besonders bei Hunden mit „Ge- schichte“ oft sehr wichtig, ihnen durch Regeln Sicherheit und Ver- trauen zu vermitteln. Viele Hunde sind in den ersten vier bis sechs Wochen noch sehr zu- rückhaltend. Sie orientieren sich erst

sion reagieren können. Nimmt dein Hund in der ersten Zeit auch vor dir sehr viel Distanz ein, kann es sinnvoll sein, ihm eine Hausleine an einem Brustgeschirr anzulegen. Damit bleibt für ihn die Distanz gewahrt, du hast aber dennoch Einfluss, wenn es nötig ist. Nicht allein bleiben können Manche Hunde aus dem Tierschutz haben bisher in einer Hundegruppe gelebt und kennen es daher nicht, al- lein zu sein. Einige Hunde haben aber bisher ein einsames Leben im Zwinger

Hunde aus dem Tierschutz sind oft unsicher beineuen Umweltreizen

einmal und warten ab, wie es im neuen Zuhause so läuft und an wen bzw. was man sich halten muss. Nach dieser Zeit „tauen“ vie- le Hunde erfahrungsgemäß auf und fühlen sich immer sicherer. Daher kann es nun auch zu ersten Überraschungen kommen, die vorher vielleicht nicht erkennbar waren. Fühlt dein Hund sich nun so richtig zu Hause, kann sich z. B. Territorialität bemerkbar ma- chen und dein Hund fängt an zu melden, wenn’s klingelt, oder er beginnt, andere Artgenossen auf der Straße nun kritischer zu be- äugen. Auch jagdliches Interesse könnte beispielsweise nun deut- licher zum Vorschein kommen. Umso wichtiger ist es, von Anfang an liebevolle Konsequenz, klare Regeln und vor allem Sicherheit walten zu lassen.

verbracht und heften sich nun umso mehr an den Menschen, bei dem sie nun angekommen sind. Daher ist es wichtig, von Beginn an sehr kurze Alleinbleib-Sequenzen zu trainieren und von Anfang an ein Verfolgen des Hundes zu verhindern. Eine gut angewöhnte Transportbox kann eine Übergangslösung darstellen, um dem Hund zwischendurch eine sichere Höhle zu bieten und ihn daran zu gewöhnen, auch mal begrenzt zu sein. Allesfresser Einige Tierschutzhunde haben bisher auf der Straße gelebt und waren Selbstversorger. Daher war alles Fressbare auch überlebens- wichtig. Umso schwieriger ist ihnen dann oft im neuen Zuhause klarzumachen, dass das Futter vom Menschen verabreicht wird und Essbares von der Straße tabu ist. Auch, damit es nicht zur Ver- teidigung von Futter kommt, ist es ratsam, von Beginn an faire Tauschgeschäfte zu üben. Weitere wichtige Trainingsschritte sind natürlich auch, einen guten Rückruf zu etablieren, den Hund selbst ausreichend zu beschäftigen und gegebenenfalls ein Tabusignal aufzubauen. Für die Sicherheit des Hundes kann es auch sinnvoll sein, den Hund frühzeitig an einen Maulkorb zu gewöhnen. Der gemeinsame Spaziergang Da manche Secondhand-Hunde sehr reizarm aufgewachsen sind, etwa in einsamen Verschlägen, in sehr ländlicher Gegend, vor al- lem aber oft ohne mit Menschen zusammengelebt zu haben, kön- nen die ersten Spaziergänge überfordernd für den Neuankömmling sein. Wenn Hunde in ihren frühen Lebensmonaten nicht die wich- tigsten Reize wie verschiedene Umweltgeräusche, verschiedene Menschen, Gegenstände usw. kennengelernt haben, müssen sie später jeden dieser Reize neu bewerten. Es kommt dabei natürlich auf das Wesen und die Persönlichkeit des Hundes an. Es gibt durch- aus Hunde, die an wenig gewöhnt wurden, aber durchaus neugie- rig und sehr anpassungsfähig sind. Dennoch gilt es schon bei ersten Unsicherheiten, den „Fels in der Brandung“ für seinen neuen Schützling darzustellen. Der Hund ist durch die Leine (die für ihn womöglich auch neu ist) stark ein- geschränkt in seinen Möglichkeiten und hat den Menschen nun als einzige „Vertrauensperson“. Umso wichtiger ist es, den Hund nicht unbedacht in Situationen zu bringen, die ihn überfordern: z. B. Umgebungen mit vielen Menschen, laute Umgebungen, Hun- deparks usw. – den Hund unbedacht in voller Dröhnung solchen Reizen auszusetzen, kann ein erster Vertrauensbruch für die Mensch-Hund-Beziehung sein. Hunde können ihre Gefühle nicht

Häufige Probleme bei Secondhand-Hunden

Stubenunreinheit Manche Hunde aus dem Tierschutz haben bisher auf der Straße oder im Tierheim gelebt und sind die Wohnungshaltung nicht (mehr) gewohnt. Bei Hunden, die vorher in einem Zwinger gelebt haben, löst sich das Problem aber oft auch von selbst, da sie nun froh sind, ihr „Nest“ nicht mehr beschmutzen zu müssen. Oder aber sie sind durch die neue Umgebung verunsichert und trauen sich erst mal nur, sich drinnen zu lösen. In diesem Fall ist es wich- tig, erst mal sehr ruhige nahe Lösestellen aufzusuchen und den Hund nicht zu überfordern. Sicherheit kommt mit der Zeit. An- sonsten muss die Stubenreinheit erlernt werden wie bei jedem Welpen: geduldig, in vielen kleinen Schritten und ohne Strafe, wenn doch mal was daneben geht. Angst & Unsicherheit – sich nicht anfassen lassen Viele Hunde aus dem Tierschutz haben auf der Straße gelebt und kennen deswegen den Alltagstrubel und oft auch Menschen, wenn sie gefüttert wurden. Manche von ihnen, besonders aus ländlichen Gebieten, sind jedoch nicht bzw. nur schlecht auf Menschen sozialisiert. Das wird häufig sehr ängstlichen Hunden zugeschrieben, auch, wenn schlechte Erfahrungen natürlich nicht immer ausgeschlossen werden können. Hier ist es beson- ders, wichtig erst mal das Vertrauen zwischen dir und deinem Hund zu stärken, erst dann kannst du ihm auch im Umgang mit anderen Menschen Sicherheit geben. Insbesondere mit der Kör- persprache sollte man sehr feinfühlig umgehen, da sich schlecht sozialisierte Hunde oft durch ruppige oder bedrängende Gesten überfordert fühlen und mit Flucht oder auch defensiver Aggres-

16 Martin Rütter 7/2022

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