Rütter – Das Magazin

ERZIEHUNG

darf nicht spielen!“ Doch was steckt eigent- lich dahinter, warum hat die Leine bei den meisten Hundehaltern und -halterinnen so ein schlechtes Image? Ursache ist hierfür oft einfach die Be- quemlichkeit des Menschen! Zieht ein Hund heftig an der Leine, schmerzt irgendwann der Arm und der Hund kann kaum davon abgehalten werden, entgegenkommende Menschen zu belästigen. Pöbelt der Hund an der Leine auch noch andere Hunde an, kommt schnell der Gedanke auf: „Was soll das Gegenüber jetzt denken? Das sieht ja aus, als hätte ich meinen Hund nicht im Griff.“ Da ist es einfacher, wenn der Hund frei läuft, denn solange er andere Menschen oder Hunde nicht angreift, passiert ja nichts Schlimmes. Dass ein Training der Leinen- führigkeit in aller Regel mit ein wenig Fleiß schnell erlernbar ist, können sich viele Men- schen nicht vorstellen. Sie haben es schließ-

Auch Hunde, die aus den verschiedensten Gründen nur an einer Schleppleine ausgeführt werden, können einen erfüllten Spaziergang erleben

lich schon oft genug versucht, entweder, indem sie dem Hund einen Keks vor die Nase gehalten oder kräftig an der Leine ge- ruckt haben, wenn der Hund zieht. Doch nichts davon hat wirklich geholfen, schein- bar ist der eigene Hund ein hoffnungsloser Fall. Hier fehlt dann einfach das Wissen, denn wirklich jeder Hund kann unter der richtigen Anleitung lernen, an lockerer Leine zu laufen! Das Training der Leinenführigkeit Bei vielen Menschen, die mit Problemen bzgl. der Leinenführigkeit zu mir in die Hundeschule kommen, wird schnell klar, dass der Hund einfach noch nicht verstan- den, also noch nicht wirklich gelernt hat, dass er nicht an der Leine ziehen soll. Oft wurde das Ziehen vom Menschen sogar noch unbewusst verstärkt. Trifft man auf dem Spaziergang den Nachbarn mit Hun- dekumpel Benny, wird dem Ziehen des eigenen Hundes nachgegeben, denn schließlich muss Hasso seinen Hunde- freund doch auch begrüßen. Und schon hat Hasso gelernt, dass Ziehen erfolgreich ist! Auch ein Hund, der an der Flexileine

(Rollleine) geführt wird, hat gelernt, dass er ziehen muss, um an sein Ziel zu kom- men. Der Mensch entriegelt den Knopf und los geht’s. Doch der Hund muss dabei stän- dig ziehen, um die Leine gegen den Wider- stand der Rollautomatik herauszuziehen. Das führt dann dazu, dass sich das Ziehen an der Leine für den Hund lohnt. Darf der Hund dann doch einmal nicht zum anderen Hund hin, wird schnell ein Keks herausgeholt, um den Hund abzulen- ken. Doch das klappt oft genug nur sehr begrenzt, denn ein Training funktioniert eben nicht über Bestechung. Bestechen lässt sich ein Hund immer nur so lange, wie das Leckerli spannender für ihn ist als das ursprüngliche Interesse. Aus lauter Verzweiflung wird dann an der Leine ge- ruckt und laut „Fuß“ gesagt, doch auch das bringt in aller Regel keinen Erfolg. Doch woran liegt das? Der Hund hat noch nicht wirklich gelernt, was das Signal „Fuß“ be- deutet. Und ihn zu bestrafen, wenn er nicht das gewünschte Verhalten zeigt, bringt nichts, wenn er gar nicht weiß, was der Mensch eigentlich von ihm erwartet. Man muss das lockere Laufen an der Leine

Das Leinenführtrai- ning sollte in kleinen Schritten aufgebaut werden

DARUM ZIEHT EIN HUND AN DER LEINE •  Territoriale Motivation: Abchecken und Markieren des Territoriums •  Sexuelle Motivation: Interesse am anderen Geschlecht sowie Übermarkieren der Markierungen von Konkurrenten •  Jagdliche Motivation: Verfolgen von Spuren oder Wild •  Soziale Motivation: Der Hund fühlt sich verantwortlich für den Menschen •  Unsicherheit/Angst: Kein ausreichender Individualabstand möglich durch die Leine • Unbewusstes Verstärken durch den Menschen/noch nicht erlernt

Sozialkontakte sollten nicht an der Leine, sondern frei auf einem gesicherten Gelände stattfinden

28 Martin Rütter 7/2022

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