Rütter – Das Magazin

Territoriales Verhalten ist zwar normal, aber meistens von uns Menschen unerwünscht

Ein distanzloser Hund, der anspringt, zeigt zunächst kein Problemverhalten

Compulsive Disorders“ (OCD) bzw. „Compulsive Behaviour Dis- orders“ (CBC) bezeichneten Verhaltensweisen sind oft das Er- gebnis einer Überforderung der Anpassungsmöglichkeiten des betroffenen Hundes an die Haltungsbedingungen. Es erscheint, als wenn die gezeigten Verhaltensweisen keinem offensichtlichen Zweck dienen und in ihrer Ausführung starr und/oder wiederholt ablaufen. Auch nach einer Verbesserung der äußeren Bedingun- gen wird das Verhalten meist beibehalten. Heutzutage spricht man von abnorm repetitivem Verhalten (ARV), welches zu einer „ Wenn sich der Hund den Umständen entsprechend verhältnismäßig aggressiv verhält, dann handelt er normal und nicht krankhaft “

se Verhaltenssequenzen, die sich in Dauer und Häufigkeit sowie in ihrer räumlichen und zeitlichen Einstellung gegenüber Um- weltkonstellationen auffällig von der Norm unterscheiden“ (Feddersen-Petersen 2004, S. 475). Wenn das gezeigte Verhalten des Hundes also von seiner ursprünglichen Funktion entkoppelt ist, den eigenen Organismus schädigt und der betroffene Hund keine Bewältigungsstrategien zur Verfügung hat, sich an die bestehenden Verhältnisse um ihn herum anzupassen, um seinen Zustand zu verbessern, dann können wir von einer echten Verhaltensstörung sprechen. Diese ist auch immer mit Leid für das betroffene Individuum verbunden. Die körperlich und see- lisch empfundenen dauerhaften Unlustgefühle beeinträchtigen das Wohlbefinden des Hundes, es kommt zum Ausfall des Kom- fort-, Explorations- und Spielverhaltens und im Extremfall zu Apathien oder Stereotypien. Stereotypien und Zwangshandlungen Die große Mehrzahl aller Verhaltensstörungen bei Hunden sind erworbene Verhaltensstörungen infolge fehlender Umweltreize oder infolge von Umweltbelastungen, die zu Fehlanpassungen führen (Feddersen-Petersen, 1991). Viele Verhaltensstörungen haben ihren Ursprung in kleineren oder größeren Verhaltens- problemen und dienten anfangs noch dazu, akuten Stress zu

mildern. Doch konnte der Hund durch das gezeigte Verhalten lediglich eine kurzfristige Ent- spannung erreichen, der auslö- sende Stressor ist immer noch vorhanden, sodass der Stress- zustand auf Dauer chronisch wird. Immer öfter zeigt der Hund nun das entsprechende Verhalten, das irgendwann ri- tualisiert abläuft und im schlimmsten Fall in einer Ste- reotypie oder Zwangshandlung endet. Diese im englischen Sprachgebrauch als „Obsessive

reduzierten Wahrnehmung der Umwelt sowie zu einer reduzierten Erregbarkeit des betroffenen Hundes führt. Abnorm repetitives Verhal- ten kann aus verschiedenen Funktionskreisen hervorge- hen. So können solche Ver- haltensweisen im Bereich der Körperpflege entstehen (Kauen an Pfoten, exzessives Belecken des eigenenKör- pers oder von Objekten, Flankensaugen) oder aus dem stoffwechselbeding-

Exzessives Belecken der Pfoten kann ein Hinweis auf Zwangshandlungen sein

7/2022 Martin Rütter 35

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