VERHALTEN
ten Verhalten hervorgehen (vermehrte Wasseraufnahme, krankhaft gesteigerte Gefrä- ßigkeit, Fressen ungewöhn- licher, ungenießbarer Stoffe). Viele Hunde zeigen auch loko- motorische Verhaltensstör- ungen wie Kreisbewegungen, Achten-Laufen, Hochspringen am Ort, Zaunlaufen, Graben oder Erstarren. Ebenso kön- nen autoaggressive Verhal- tensmuster gezeigt werden z. B. Beißen in eigene Glied- maßen. Im Grunde kann jedes Verhalten in zwanghaft rituali- sierter Ausprägung gezeigt werden. ARV können in drei Kategorien eingeteilt werden: 1. Zu Beginn wird das Verhalten zwar regelmäßig, aber nur kurz gezeigt. Es gibt erkennbare Stressoren als Auslöser und der betroffene Hund beendet das Verhalten auch selbstständig wieder. Das Wohlbefinden ist noch nicht stark beeinträchtigt. 2. Das Verhalten wird regelmäßiger und ausdauernder gezeigt. Nun ist das Verhalten auch außerhalb erkennbarer Stressoren sichtbar und der Hund hört nicht mehr von allein damit auf, kann aber durch äußere Einflüsse an der Ausführung gehindert werden. Der veränderte Schlaf-Wach-Rhythmus ist kennzeich- nend für diese Phase. 3. Jetzt wird das Verhalten regelmäßig gezeigt, es gibt, wenn über- haupt, nur kurze Unterbrechungen, da eine körperliche Er- schöpfung eine weitere Ausführung behindert. Es kommt zum Ausfall des Komfortverhaltens, der Schlaf-Wach-Rhythmus ist völlig durcheinandergekommen. Die abnorm repetitiven Ver- haltensweisen können auch von außen nicht mehr unterbro- chen werden, solche Versuche erzeugen beim Hund noch mehr Stress, welcher wiederum zum Auslöser für abnorm repetitives Verhalten wird. Therapie und Training Eine erfolgreiche Therapie bedingt verschiedene Faktoren. Zum einen geht es im ersten Schritt darum, durch Managementmaß- Artgerechte Beschäf- tigung kann Problem- verhalten vorbeugen
nahmen die bekannten Stres- soren zu verringern, um den Hund an der weiteren Ausfüh- rung zu hindern. Dies kann bedeuten, die bisherige Hal- tungsform zu verändern und diese an die entsprechenden Bedürfnisse des Hundes anzu- passen. Falls möglich, sollte auch eine geeignete Beschäf- tigungsform angeboten wer- den, um den betroffenen Vier- beiner physisch wie psychisch auszulasten. Ebenso muss
eine umfassende gesundheitliche Kontrolle durchgeführt wer- den, um bestehende organische Ursachen auszuschließen oder diese abzustellen. In der Therapie geht es zum einen darum, dass der betroffene Hund lernt, eine neue, nun positive Sichtweise zum bestehenden Problem oder den auslösenden Reizen zu entwickeln, und andererseits alternative Verhaltensweisen anzubieten, mit denen er ebenfalls seine Probleme lösen und den entstehenden Stress abbauen kann. Idealerweise ist das erlerne Alternativver- halten inkompatibel mit der bisherig gezeigten Verhaltensstörung. Ob und inwieweit auch eine medikamentöse Behandlung nötig ist, um den Hund für eine Therapie ansprechbar zu machen, muss ein Tierarzt oder eine Tierärztin entscheiden, der/die auf Verhal- tenstherapie spezialisiert ist. Vorbeugen ist besser als Heilen Dieser Leitsatz gilt auch in Bezug auf das Problemverhalten von Hunden und echten Verhaltensstörungen. Wenn die hundlichen Grundbedürfnisse im Zusammenleben mit Menschen beachtet und befriedigt werden, dann sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass Hunde problematische Verhaltensweisen entwickeln. Es liegt also in unserer Verantwortung, der Entstehung von Problemverhalten oder Verhaltensstörungen entgegenzuwirken. Wir vergessen nur allzu oft, dass unsere Hunde erst einmal lernen müssen, sich in der Menschenwelt zurechtzufinden und nicht automatisch wis- sen, welches Verhalten erwünscht oder unerwünscht ist. Es ist unsere Aufgabe, unseren Hunden beizubringen, entspannt in unserer Abwesenheit zu Hause zu sein, an lockerer Leine zu gehen, Menschen nicht anzuspringen, vorbeifliegende Bälle zu ignorie- ren, ruhig im Restaurant zu liegen und entspannt Auto zu fahren. Ein Hund kann nur so „gut funktionieren“, wie wir es ihm bei- gebracht haben. Unsere Fehler oder Versäumnisse in der Hunde- erziehung dürfen nicht zu Lasten des Hundes gehen. Und eine erfolgreiche Erziehung ermöglicht dem Hund auch viel mehr Freiheiten in unserer Gesellschaft und führt zu einem entspann- teren Zusammenleben von Zwei- und Vierbeinern. *Quelle: Archer, John (1988): The behavioural biology of aggression. Cambridge University Press; Feddersen-Petersen, Dr. Dorit U. (1991): Verhaltensstörungen bei Hunden – Versuch ihrer Klassifizierung. Deutsche tierärztliche Wochenschrift 98, S. 15-19; Feddersen-Petersen, Dr. Dorit, U. (2001): Zur Biologie der Aggression des Hundes; Deutsche tierärztliche Wochenschrift 108, S.94-101; Lorenz, Konrad (1998): Das sogenannte Böse. Zur Naturgeschichte der Aggression. Dtv; Schöning, Barbara (2001): Hundeverhalten.; Verhalten und Körpersprache verste- hen, Welpenentwicklung optimal fördern, Probleme von Anfang an vermeiden. KOSMOS
Wenn sein Energielevel ausgeglichen ist, fällt es dem Hund leichter, Ruhephasen einzuhalten
36 Martin Rütter 7/2022
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