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Politische Dimension der Internationalen Jugendarbeit
Oftmals findet, gerade bei deutschen Teilnehmenden, auch eine Reflexion der eigenen Privilegien statt. Bei Begegnun- gen mit Personen aus nicht EU-Ländern spielt die Reisefreiheit eine große Rolle. Vielen Jugendlichen ist es gar nicht mehr bewusst, dass es eine Errungenschaft der EU ist, dass wir ohne Visum in ein ande- res Land reisen können. Die Europäische Union wird dann für die Jugendlichen di- rekt erfahrbar. Ich glaube aber auch, dass diese Erfahrungen mit den Jugendlichen nachbereitet werden müssen, damit ge- nau diese Transferleistung, von der Marie gesprochen hat, eintritt und die Jugend- lichen dann auch verstehen, dass sie zum Beispiel durch eine Beteiligung an den Eu- ropawahlen Einfluss nehmen können. Frage: Welche Wirkungen könnt ihr nach euren Begegnungen feststellen? Welche Bedingungen scheinen geeignet zu sein, um nachhaltige Wirkungen im Bereich des politischen Engagements und der po- litischen Partizipation zu fördern? Katharina: Ohhh, es ist schwierig, die Wir- kungen konkret zu benennen, weil so eine Begegnung einfach die gesamte Sicht auf die Dinge so massiv verändert und die Wirkungen dann oft sehr vielfältig sind und auch teilweise erst Jahre später und in ganz kleinen alltäglichen Situationen fest- gestellt werden können. Ich arbeite ja mit Jugendlichen, die sonst eher nicht so die Chance haben, ins Ausland zu gehen. Für die ist es häufig einfach unglaublich wich- tig, dass sie die Erfahrung machen, dass sie
sich in einer internationalen Gruppe bewe- gen können und dort Freunde finden. Dass sie es schaffen, sich in einem Land, in dem sie die Sprache nicht sprechen, zurecht- zufinden und vielleicht sogar mit ein paar neuen Worten in verschiedenen Sprachen zurückfahren können. In Bezug auf eine höhere Beteiligung kann ich zwar sagen, dass wir oft die Erfahrung machen, dass sich die Jugendlichen nach einer Begegnung stärker engagieren, aber es fällt mir schwer zu sagen, woran das genau liegt. Das wäre sicherlich mal eine spannende Forschungsfrage. Manchmal hängt es auf jeden Fall damit zusammen, dass die Teilnehmenden einen Bezug zu der Region aufbauen, die sie besucht ha- ben. So engagiert sich beispielsweise eine ehemalige Teilnehmerin, die mit ewoca³ in Bosnien und Herzegowina war, bei ei- nem Verein, der soziale Projekte in dem
Land unterstützt. Bei anderen Beispielen hat es sicherlich auch etwas mit den sozi- alen Projekten zu tun, die wir im Rahmen der Jugendbegegnungen durchführen. Da machen die Teilnehmenden bereits erste positive Erfahrungen mit sozialem Engagement und wollen dies dann zu- hause fortführen. Am entscheidendsten ist aber, glaube ich, etwas ganz anderes: So eine internationale Begegnung holt die jungen Menschen komplett aus ihrem Alltag raus und regt zum Nachdenken in vielen verschiedenen Bereichen an, gera- de auch über sich selbst und die eigene Rolle, die man in der Gesellschaft spielt. Das ist schwierig zu beschreiben, aber die Erfahrungen geben den Jugendlichen oft die Energie und Motivation, etwas in ihrem Leben zu verändern, und das kann beispielsweise das Erlernen einer neuen Sprache sein, aber eben auch soziales En- gagement.
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