Rechtsextremismus und Rassismus als Themen in der IJA

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Prävention, Intervention und Bildungsarbeit: Möglichkeiten und Methoden

individuellen Spielräumen. Offen bleibt die Frage, inwieweit das Erleben eigener Privilegierung durch die hier ermöglich­ te räumliche Erfahrung auch Empathie verstellen und eher zur Wahrung des ei­ genen Status anspornen kann. Denkbar ist eine mehrfache Vergabe von Rollen als Grundlage für eine Auseinandersetzung mit verschiedenen Interpretationen der Spielräume. Die Auswertung ist das Ent­ scheidende bei dieser Übung. Auch hier schloss sich ein Austausch zu verschiedenen Übungen an. Diesmal wurden Methoden betrachtet, die exem­ plarisch für einzelne thematische Hand­ lungsfelder standen. Ein Schwerpunkt be­ stand in verschiedenen Annäherungen an das Thema Nation – Nationalstaatlichkeit – Nationalismus: „Molekül der Zugehö­ rigkeiten“ (die nationale Zugehörigkeiten relativiert, indem sie die Vielschichtigkeit von Zugehörigkeiten reflektiert), „Illega­ lität im Alltag“ (die Nationalstaatlichkeit als massives Unterscheidungskriterium reflektiert und gleichzeitig die Bedingun­ gen des Lebens in der Illegalität vermit­ telt), „Wir sind wieder wer“ (die einen Einstieg in die Analyse des deutschen Nationalismus bietet und vermeintliche Selbstverständlichkeiten der Kritik zu­ gängig macht) oder „Stolz?“ (die anhand der Geschichte des Satzes „Ich bin stolz ein Deutscher zu sein“ die Historizität nationaler Muster konkretisiert). Außer­ dem wurden Methoden zu den Themen Antiziganismus („Der Grashüpfer und die Ameisen“), ein kleines Argumentations­ training gegen die Abwertung von Ob­ dachlosen und Langzeitarbeitslosen, eine Selbstreflexionsübung zur Abwertung

ihre Rollen auf, blieben dabei am Platz und es gab Gelegenheit für Nachfragen unter­ einander: Wo erlebst du Diskriminierung, wo profitierst du von Diskriminierung? Nachfrage nach kurzer Zeit: Was für Stra­ tegien bieten sich an, mit dieser Situation umzugehen? Abschließend wurde die Methode auf der Metaebene reflektiert: Die Methode ist geeignet, gesellschaftliche Strukturen vertiefend zu verstehen und zu erfah­ ren. Insbesondere werden verschiedene Dimensionen von Diskriminierung fass­ bar, welche die Möglichkeiten einzelner Akteur(inn)e(n) beschränken. Da die Übung auf Einsicht, Reflexion und Empa­ thie zielt, ist sie aber keineswegs als In­ tervention in Gruppen zu verstehen, die offen diskriminierend aktiv sind. Vielmehr gilt es, im Rahmen der Auswertung der Methode die gesellschaftlichen Funktio­ nen von Exklusionspraxen zu erarbeiten und zum Beispiel auf ihre Anschlussfähig­ keit für rechte Politiken zu untersuchen. Die Methode ist ein gut geeigneter An­ knüpfungspunkt sowohl für eine Bezug­ nahme auf die Mehrebenenanalyse als auch um das Verhältnis von Exklusionspra­ xen der Mitte zu rechten Politiken zu dis­ kutieren. Sie kann Empathie steigern und bietet sich an, um Detailinformationen zu vertiefen (Wer darf denn eine Kfz-Versi­ cherung abschließen? Wer nicht?); durch die wenigen Infos werden Vermutungen (Stereotype) ausgelöst, deren Unsicher­ heit aber meist (!) produktiv irritiert und pädagogisch reflektiert werden kann; sie bildet gesellschaftliche Verhältnisse ab und ermöglicht dennoch die Frage nach

von Menschen mit Behinderung und eine filmgestützte Rollenspielübung zu antise­ mitischen Vorfällen („Ein deutscher Jude gibt auf“) betrachtet. In ihrer inhaltlich komplementären Anlage spricht dieses Methodenensemble verschiedene Ideo­ logieelemente des Rechtsextremismus an und bietet die Möglichkeit sowohl ihre Verschränkung untereinander zu thema­ tisieren als auch die direkte Verbindung zu ausgrenzenden Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft zu reflektieren.

Literaturhinweise:

Ahlheim, Klaus / Schillo, Johannes (Hg.): Politische Bildung zwischen Formierung und Aufklärung, Hannover 2012. Alte Feuerwache e.V. (Hg.): Methoden­ handbuch zum Thema Antiziganismus, Münster 2014. apabiz (Hg.): Versteckspiel. Lifestyle, Symbole und Codes von neonazistischen und extrem rechten Gruppen, Berlin 2011. Decker, Oliver / Kiess, Johannes/Brähler, Elmar (2012). Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme Einstellungen in Deutsch­ land 2012. Ralf Melzer (Hg.), Friedrich- Ebert-Stiftung. Bonn. 

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