Rechtsextremismus und Rassismus als Themen in der IJA

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Prävention, Intervention und Bildungsarbeit: Möglichkeiten und Methoden

Der Abend der Individuen: eine alternative Methode zum „Länderabend“

Methodische Anmerkungen

Diese Kommunikationsbasis hat sich in unterschiedlichen Situationen be­ währt. Voraussetzung ist allerdings, dass sie so angepasst wird, dass sie von allen getragen wird und danach nicht auf einem Poster an einer Wand „verschwindet“ ohne weiter entwi­ ckelt und in die Praxis umgesetzt zu werden. Es ist hilfreich, sie von Zeit zu Zeit in die Aufmerksamkeit zurück zu ho­ len und zu untersuchen, ob sich die Punkte praktisch umsetzen lassen. Gerade die Momente, an denen eine Vereinbarung nicht eingehalten wer­ den konnte, sind dabei sehr hilfreich. Hier kann die Art des gemeinsamen Umgangs vereinfacht und auf eine breitere Basis gestellt werden. Kriti­ sche Situationen werden so nicht nur zum Ärgernis, sie erfahren eine Un­ tersuchung und können aktiv so um­ gestaltet werden, dass sich Routinen einspielen, die Achtsamkeit zunimmt und schnell Erfolge sichtbar werden. Auch wenn es nicht zu kritischen Situ­ ationen kommt, kann es sinnvoll sein, sich nach wenigen Arbeitseinheiten wieder der Kommunikationsqualität zu widmen und sich neue Ziele zu stecken oder die Erreichung der Vor­ haben zu diskutieren. Die Umsetzung dieser Regeln kann durchaus ein Lern­ ziel sein, das eine zentrale Rolle im gemeinsamen Lernprozess einnimmt – und danach in anderen Kontexten eingesetzt werden kann.

Hintergrund

Problematik

Integraler Bestandteil der Mehrzahl in­ ternationaler Jugendprojekte ist ein Pro­ grammpunkt, bei dem sich die Teilneh­ menden vorstellen. Manchmal geschieht dies anhand von mitgebrachten „kulturel­ len“ Elementen, beispielsweise „Speziali­ täten“ wie Essen oder Trinken, Musik oder Tänze, Trachten oder Flaggen, (touristi­ schen) Informationen über Regionen und Länder oder auch Präsentationen bzw. Selbstdarstellungen der Organisationen der beteiligten Teilnehmenden. Diese Abende erfreuen sich großer Beliebt­ heit bei Organisator/-innen und Teilneh­ menden. Die Gründe sind offensichtlich: Der Rahmen ist informell und hat einen Freizeitcharakter, Teilnehmende können sich darstellen und austauschen, es ist für leckere Getränke und Snacks gesorgt und die Chance an irgendeinem Punkt gemeinsam zu singen oder zu tanzen ist nicht gering. All dies ist äußerst positiv für die Gruppendynamik und schafft ein Ge­ fühl der Intimität und Zusammengehörig­ keit. Im Programm taucht dieser Teil etwa als „Spezialitätenabend“, „Interkultureller Abend“, „Abend der Organisationen“ aber auch als „nationaler Abend“ auf.

Allerdings lassen sich Aspekte beobach­ ten, die weder aktuell diskutierten diver­ sitätsbewussten oder inklusiven Werten noch modernen pädagogischen Grund­ sätzen entsprechen: Lässt man diesen Abend ungesteuert ablaufen besteht die Gefahr, dass nationalistische Ausprägun­ gen zu beobachten sind. Es bietet sich hier ein Anlass, Trachten zu tragen, die im All­ tag niemand anziehen würde oder Speisen und Getränke zu präsentieren, die zwar eigenartig sind, aber im richtigen Leben kaum konsumiert werden. Kritisch ist vor allem die unreflektierte Tendenz, natio­ nale Tische und Identitäten zu formieren, die unterstellen oder, je nach Standpunkt auch bestätigen, dass alle Menschen aus einem Land gleich seien, eine homogene Kultur besäßen, den gleichen Geschmack, die gleichen Tagesabläufe pflegten – und dass diese sich signifikant und wesentlich von denen der anderen unterschieden. Einzelne oder Gruppen die qua Geburts­ roulette eine bestimmte Nationalität ha­ ben, werden nicht selten als Idealtypen und Repräsentant/-innen für ein ganzes Land, eine ganze Bevölkerung „gekid­ nappt“. Das Bewusstsein, dass sich Menschen neben der Nationalität auch nach Alter, Geschlecht, Religion, sozialer Herkunft,

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