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Prävention, Intervention und Bildungsarbeit: Möglichkeiten und Methoden
Bessere Praxis
Hobbies, Ausbildung usw. unterscheiden wird ausgeblendet – ein Umstand, der umso problematischer ist, als angenom men werden kann, dass gerade in diesen Kategorien hohe Übereinstimmungen bei der Mehrzahl der „typischen“ Teil nehmenden internationaler Mobilitäts projekte besteht. Statt den Dialog mit den „Anderen“ zu führen, statt dem oft besungenen Kennenlernen „anderer Kul turen“ werden hier Stereotype wieder und wieder ausgegraben und gefestigt, wird die Individualität der Teilnehmen den durch Erwartungen eingeschränkt und nicht etwa gestärkt. In einem Europa der Freizügigkeit und jahrhundertelanger Migration ein mehr als bitterer Beige schmack. Diese Diagnose ist nicht revo lutionär – vergleichbare Kritik kommt im mer wieder einmal auf 1 – dennoch zeigt die Praxis, dass die Bedenken noch lange nicht im Mainstream angekommen sind.
Fördermittel oder legitimativ in der Au ßendarstellung eine Rolle zu spielen son dern bildet sich auch im Programm ab. Es beeinflusst die Haltung der Verantwortli chen und wirkt sich so auf den Austausch zwischen den Individuen aus. Was also passieren muss, um diesen Ten denzen zu widerstehen, ist eine Stärkung des Individuums, eine Sichtbarmachung anderer Diversitätslinien, ein Konterka rieren der Stereotype. Die Erwartung, dass Nationalität mit bestimmten Ausprä gungen verbunden ist, muss enttäuscht werden, indem die Unterschiedlichkeiten („Ich bin nur einer von 80 Millionen und ich kenne selbst als Netzwerker nur einen verschwindend geringen Anteil der Mit glieder der Gesellschaft in der ich lebe.“) sichtbar und aufgewertet werden.
Wie an anderer Stelle dieser Broschüre be schrieben, kann die Haltung, mit der eine Aktivität durchgeführt wird, ihren Verlauf deutlich beeinflussen. Sollen also die po sitiven Effekte der Aktivität beibehalten werden, müssen • die Teilnehmenden die Möglichkeit für informellen Austausch haben, • die Aspekte „Nahrung“ und „Kultur“ einfließen können und • als zentraler Aspekt die Themen „Identität“ und „Kennenlernen“ vorkommen. Die Praxis zeigt, dass dies nicht von nati onalen oder anderen Stereotypen abhän gig ist, sondern, dass die gewünschten Effekte auch unter diversitätsbewussten Leitlinien erfüllbar sind. Hier hilft die An nahme, dass „Kultur“ aus vielen verschie denen Aspekten zusammengesetzt ist und (auch wenn es mehr oder weniger deutliche Gemeinsamkeiten geben kann) letztlich individuell einzigartig ist. Eine Biografie ist von außen nicht erkennbar und auch nicht statistisch vorhersagbar. Über diese Brücke konnte aus der alten eine neue Methode entwickelt werden, nämlich der „Abend der Individuen“. Bit tet man nämlich nicht, sich als Mitglied einer oder mehrerer Gruppe/-n vorzustel
Transfer
Das Setting internationaler Projekte setzt diesen Fokus: Internationale Mobi lität findet oft mit Menschen aus unter schiedlichen Ländern statt und gerade für Organisator/-innen und Verantwort liche scheint diese Diversitätslinie nicht nur administrativ bei der Abrechnung der
1 etwa von Ragauskas (2008) oder Schulz (2010)
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