IJAB journal 01/2023

IJAB journal 1|2023

des Regimes ist natürlich jede unabhängige Organisa- tion eine „terroristische Vereinigung“ – auch RADA, die Dachorganisation der Jugendverbände in Belarus. Im schlimmsten Fall kann die Anwendung dieses Gesetzes die Todesstrafe bedeuten. Das ist gerade unser größtes Problem. Ganz sicher unterstützen die Menschen nicht Russland, aber angesichts der Repression haben sie auch Angst, etwas zu unternehmen. Es heißt oft, Frieden sei mehr als die Abwesenheit von Krieg. Es bedarf auch der Achtung der Menschenrech- te, unabhängiger Gerichte und Demokratie. Diktatu- ren neigen zudem dazu, ihre Aggression nach innen irgendwann nach außen zu kehren. Wie siehst du das in Bezug auf Belarus? Genau das sehen wir in Belarus. Früher hatten wir Kon- flikte im Inneren, jetzt haben wir sie auch mit unserem ukrainischen Nachbarn. Natürlich sind die Menschen von den Sanktionen des Westens betroffen, das macht ihr Le - ben nicht leichter. Aber im Grunde warten sie auf den Sieg der Ukraine. Wenn das russische Regime als Folge der militärischen Niederlage zusammenbricht, wird auch Lukaschenko fallen. Bis dahin bleibt die Angst groß, ver - haftet oder sogar hingerichtet zu werden. Die jungen Menschen werden nicht in den Krieg ziehen Wie groß ist die Gefahr, dass Russland sich Belarus einverleibt? Im Augenblick ist das Regime ja völlig von russischem Geld abhängig. Niemand in Belarus will Teil von Russland werden, noch nicht einmal Lukaschenko und seine Gefolgsleute im Staatsapparat. Sie haben ihre Schlussfolgerungen aus

Krieg gegen die Ukraine ziehen, sie auf derselben in - ternationalen Anklagebank landen werden, auf denen die Verantwortlichen für den Krieg und die russischen Kriegsverbrecher sitzen werden.

Fürchtet Lukaschenko weitere Proteste?

Ich habe es ja schon gesagt: Im Augenblick gibt es etwa 100 Verhaftungen im Monat. Das zeigt, dass das Regime weiterhin Angst hat. Das schüchtert die Menschen zu - nächst ein, aber es macht sie auch zunehmend wütend. Wenn so viele Menschen Belarus schon verlassen haben und weitere gehen wollen, welche Perspektive hat dann der Widerstand? Das ist eine gute Frage, die nicht so einfach zu beantwor - ten ist. Es gibt keine belegbaren Zahlen, aber ich denke 90 % der Menschen wollen zurückkehren, wenn sich die Verhältnisse ändern. 2020 haben wir eine moralische Re- volution erlebt und vielleicht werden wir schon 2023 in ein neues Land zurückkehren. Wenn die Ukraine siegt, wird es noch nicht mal große Proteste brauchen, damit das belarusische System zusammenbricht. Die Oppositi - on ist jetzt zwar von den Bürger*innen vor Ort entfernt, aber wir sind dafür seit 2020 viel näher an Europa ge - rückt. Wenn wir zurückkommen, werden uns diese en - gen Bindungen helfen, das Land neu aufzubauen. Wir sehen es an unserer legitimen Präsidentin, Swetlana Tichanowskaja. Alle unterstützen sie – die EU, die USA. Es hängt jetzt alles von der Ukraine ab. Sollte Lukaschen - ko die Armee in den Krieg schicken, werden viele junge Menschen nicht damit einverstanden sein. Sie werden nicht gehen und auch ihre Eltern werden sie nicht gehen lassen.

den Protesten von 2020 ge - zogen. Sie sind skrupellos, aber sie sind nicht dumm. Sie wissen, dass wenn sie als Teil von Russland in den

Lavon während der Proteste im Sommer 2020. Auf dem Schild steht: „Wir sind keine Schafe, die wirklichen Tiere sind in Okrestino“. Okrestino ist eine Strafanstalt für politische Gefangene in Minsk und bekannt für den unmenschlichen Umgang mit Häftlingen.

Kontakt Leanid (Lavon) Marozau

Web: en.rada.fm

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