IJAB journal 01/2023

Auf in den Osten!

Daniel Kraft

Über eine Reise, die 1989 begann

Es ist der 15. April 1990 und der Bus der Jugendgruppe verschwindet langsam aus meinem Sichtfeld. Ich stehe in Špindlerův Mlýn – früher Spindlermühle – im damals noch tschechoslowakischen Riesengebirge und eine Reise durch unser Nachbarland beginnt, die bis heute andauert. Der „Deal“, den ich damals mit dem Jugend - bildungsreferenten meiner Heimatstadt geschlossen hatte: Ihr nehmt mich auf der Hinfahrt der Jugendgrup - pe mit, beim Gegenbesuch nehme ich einen Gastschüler bei mir zu Hause auf.

Das ist nicht nur eine individuelle Geschichte, es ist die Geschichte von Teilen einer Generation, der Genration „Nach-Wende“. Für einige waren die Jahre nach 1989 gekennzeichnet vom Austausch, der Begegnung, den großen Jugendtreffen in Polička und Auerbach, die die deutsch-tschechische Erklärung gewissermaßen mit jun - gem Blick vorwegnahmen, vom Aufbau des Deutsch-Pol - nischen Jugendwerks, von TANDEM, der Koordinierungs - stelle für den deutsch-tschechischen Jugendaustausch und vielem mehr. Aufbruchstimmung pur, ost-eupho- risch! Was dann folgte war ein langer Kater. Denn langsam rückte Mittel- und Osteuropa wieder dorthin, wo es für viele Deutsche eh schon immer lag: in weite Ferne. Eine der zentralen Regionen für das Wohl und Wehe Deutsch - lands und der EU – seit dem brutalen Angriffskrieg Russ - lands gegen die komplette Ukraine wird das auch dem Letzten klar – wurde zum weißen Fleck. Proč? Warum? Warum interessieren wir uns für Barcelona und nicht für Košice? Sicher spielt es eine Rolle, dass wir uns durch den Glauben an „Wandel durch Handel“ mental aus der Ost - europabeschäftigung zurückziehen konnten. Wir haben

Bundespräsident Roman Herzog mit seinem tschechischen Amtskollegen Václav Havel anlässlich des Jugend­ treffens in Polička (1996)

38

Made with FlippingBook - Online catalogs