GESUNDHEIT
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SCHLAFMANGEL: SO KÖNNEN SIE IHN VERMEIDEN ...
Was ist der Unterschied zwischen Schlaflosigkeit und Schlafmangel?
Man muss grundsätzlich un- terscheiden zwischen Schla- flosigkeit und Schlafentzug. Zwar wirkt sich beides gleich
auf unseren Alltag aus, doch sind die Wege, die wieder zu besserem Schlaf führen, nicht dieselben. Beim Schlafent- zug gibt Ihr Körper oder Ihr Gehirn Ihrem Organismus nicht die Möglichkeit, so viel Schlaf zu erhalten, wie er benötigt. Von Schlafentzug spricht man, wenn Sie zum Beispiel zu viel arbeiten oder es mit Ihren Freizeitak- tivitäten übertreiben und sich also selbst nicht genug Schlaf gönnen. Die Schlaflosigkeit hingegen ist eine unverschuldete krankhafte Störung; Sie haben zum Beispiel Mühe einzuschlafen oder durchzuschlafen und wachen zu früh auf. Natürlich ist es gut, sich deswegen in Behandlung zu begeben, doch gleichen Sie das Manko zu einem guten Teil amMorgen wieder aus, wenn Sie nur unter erschwertem Einschlafen leiden. Dann gibt es da noch weitere Störungen wie Schla- fapnoe, Hypersomnie (erhöhter Schlafbedarf tagsüber), Restless-Legs-Syndrom (unruhige Beine) oder Parasom- nie (Schlafwandeln, Alpträume …).
Ein Drittel der Bevölkerung lebt nachweislich mit zu wenig Schlaf. Und der Rest stresst sich, weil er dem Schlaf dauernd hinterherrennt. Ist das jetzt schlimm? Geht es nach Dr. Katerina Espa Cervena, Spezialistin für Psychiatrie und leitende Ärztin am Zentrum für Schlafmedizin Cenas in Genf, soll man den Schlafmangel zwar ernst nehmen, ihn aber nicht zwanghaft bekampfen. Denn wer dem Schlaf zu sehr nachjage, drohe ihn erst recht zu verlieren … Eine Begegnung.
Text - Sophie Franklin, Bild - Cenas
Kann auch ein komfortables Bett den Schlaf verbessern?
Ja, der Schlafkomfort ist sehr wichtig. Die Matratzenwahl ist dabei völlig individuell. Ehe-
partner haben nicht immer dieselben Komfortvorstel- lungen; in solchen Fällen braucht es unterschiedliche Matratzen. Auch kann eine unpassende Matratze, die nicht genügend stützt, bereits vorhandene Symptome noch verstärken (Rücken-, Nackenschmerzen) und so den Schlaf stören. Doch auch ohne Vorerkrankung kann eine unbequeme und nicht auf den Anwender angepasste Matratze (zu «weich» oder zu «fest») den Schlaf stören und zu kleinen und kleinsten Schlafunterbrechungen führen. Der thermische Komfort der Bettwaren spielt ebenfalls eine grosse Rolle; so sollte die Matratze die Feuchtigkeit entweichen lassen, um nächtliches Schwit- zen zu verhindern.
Wenn man sich ständig müde fühlt, ab wann sollte man zum Arzt gehen?
Wenn Sie über längere Zeit, sagen wir mehr als drei Mo- nate, schlecht einschlafen oder mehr als dreimal pro
Ist es richtig, dass nicht jeder Mensch gleich viel Schlaf braucht?
Ja, der individuelle Schlafbe- darf im Erwachsenenalter ist nämlich genetisch bedingt. Für Leute, die wenig schlafen,
Woche Mühe haben durchzuschlafen, oder wenn Sie sich während des Tages übermässig müde oder einges chränkt leistungsfähig fühlen, dann wäre ein Arztbesuch angezeigt. Teilweise können organische Beschwerden vorliegen, zum Beispiel der Schilddrüse. Wenn das nicht hilft, kann eine Schlafklinik in einer noch umfassenderen Untersuchung Ihre verschiedenen Schlafphasen analy- sieren und Ihnen dann entsprechende Behandlungen vorschlagen. Doch wenn Sie nicht zu den Personen gehö- ren, die bereits unter gesundheitlichen Problemen leiden, welche sich auf ihren Schlaf auswirken, dann können Sie Ihre Schlafqualität verbessern, indem Sie ganz einfach besser auf Ihren Organismus hören und ihm geben, was er braucht.
reichen fünf Stunden pro Nacht völlig aus. Langschläfer hingegen benötigen neun Stunden. Solche Menschen können bei siebeneinhalb Stunden durchaus Schlafent- zugs-Symptome verspüren.
Wie wirkt sich Schlafmangel auf unsere Psyche aus?
Heute gilt gesichert, dass Schlaf losigkeit das Risiko fur depres- sive Beschwerden verdoppelt. Genau. Man muss wissen, dass nicht nur unser Bedarf an Schlaf, sondern auch «dessen Architektur», d.h. Qualität, sich
Welche Bevölkerungsschichten sind am anfälligsten für Schlafmangel?
Der Schlafbedarf variiert je nach Bevölkerungsgruppe. So ist zum Beispiel für jemanden, der nicht mehr berufstätig ist,
Gemäss Ihrer Aussage entwickelt sich der Schlaf im Verlauf des Lebens weiter.
ein chronisches Schlafmanko weniger gravierend als für einen Jugendlichen. Die empfohlene Schlafdauer bis zum 18. Lebensjahr beträgt 9,25 Stunden. Man muss aller- dings auch erwähnen, dass Personen in diesem Alter selten so lange schlafen; lässt man den frühen Unter- richtsbeginn ausser Acht, und auch wenn sie früh zu Bett gehen, gönnen sie sich nur schwerlich genügend Schlaf. Kommt hinzu, dass sie vor dem Zubettgehen zu lange am Bildschirm hängen und dadurch noch später einschlafen. Ein Grossteil der Jugendlichen hat also ein Schlafmanko und ist eindeutig die gefährdetste Bevölkerungsgruppe. Es ist erwiesen, dass ein solches Manko in dieser inten- siven Hirnwachstumsphase zu einer Verschlechterung der schulischen Leistungen und zu Verhaltensstörungen führen kann.
mit fortschreitendem Alter ändert. Physiologisch be- trachtet, werden die Tiefschlafphasen kürzer. Ich stelle in meinen Sprechstunden regelmässig fest, dass die Leute bei der Einschätzung ihres Schlafbedarfs in die Vergangenheit schauen. Sie zielen also auf eine Schlaf- dauer im AHV-Alter ab, die Sie gar nicht mehr benötigen werden.
Wie kann man sich selbst besseren Schlaf antrainieren?
Zuerst sollten Sie festlegen, wie viel Schlaf Sie wirklich benötigen; ganz intuitiv
finden Sie zum Beispiel, dass Ihnen acht Stunden im Durchschnitt genügen. Sorgen Sie nun dafür, dass Sie sich diese Idealdauer pro Tag auch gönnen. Und halten Sie sich ab zwei Stunden vor dem Zubettgehen von Bildschirmen fern und vermeiden Sie anregende Tätigkeiten. Biologisch ausgedrückt, muss nämlich die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin zwei Stun- den vor dem Einschlafen einsetzen. Möchten Sie trotzdem noch etwas fernsehen, weil Sie das entspannt, tun Sie es, aber mit einer Brille, welche den Blauanteil des Lichts herausfiltert. Achtung auch bei der Ernährung: Meiden Sie zu spätes und zu fettes Essen, denn auch das ist dem Einschlafen abträglich.
Für Apple-Chef Tim Cook ist der Schlaf «etwas für Loser». Auch verschiedene andere Topmanager streichen ihre kurzen Nächte heraus, um ihren Erfolg zu erklären. Kann man nicht dem Schlaf Zeit abtrotzen und dadurch mehr leisten?
Nur weil man es so will, kann man die eigenen korperlichen Bedurfnisse nicht verandern! Der circadiane Rhythmus (der Schlaf-Wach-Rhythmus, der den Tagesablauf der meisten Tiere und Pflanzen regelt) ist nun einmal grösstenteils eine Tatsache. Wir können nicht anders als mal mehr, mal
Wie merkt man, ob man genug schläft?
Sofern Ihr Schlaf -Wach- Rhythmus nicht gestört ist und Sie sich völlig gesund fühlen,
dann ändern Sie nichts an Ihren Schlafgewohnheiten! Fühlen Sie sich hingegen tagsüber matt, dann sollten Sie herausfinden, ob Sie womöglich an Schlaflosigkeit oder Schlafmangel leiden.
weniger aktiv sein. Man sollte das Schlafen nicht mit dem Faulsein gleichstellen; wir brauchen es, um uns zu regenerieren.
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