DRK Mannheim GB 2022

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Flucht & Migration

Geschäftsbericht 2022

türkischsprachigen Minderheit an und nimmt daher unser türkisch- sprachiges Beratungsangebot in Waldhof dankbar an. Aufgrund dieser hohen Nachfrage haben wir, neben unserer „regulä- ren“ Beratung, immer mittwochs eine offene Sprechstunde auf Türkisch eingerichtet. Die ohne- hin schlecht verdienenden bulga- rischen Mitbürger sind somit nicht mehr gezwungen, ihre Formulare bei unseriösen „Helfern“ gegen Geld ausfüllen zu lassen und müs- sen somit keine Opfer von Ge- schäftemachern mehr werden. Damit sie in der neuen Heimat auf Dauer auch selbständig leben können, unterstützen wir sie bei der Suche nach geeigneten Inte- grationskursen. Da die Neuzugewanderten mit den bürokratischen Prozessen und Strukturen in Deutschland nicht vertraut sind und weil sie diese so auch aus ihrer Heimat nicht ken- nen, bleiben sie oftmals in den Mühlen der Bürokratie stecken und kommen aus eigener Kraft nicht mehr heraus. In solchen Si- tuationen wissen die Ratsuchen- den, dass sie mit der MBE eine vertrauensvolle Ansprechpartnerin für ihre Belange an ihrer Seite ha- ben. Die Probleme und Themenfelder erfordern ein breites Spektrum an Wissen und große Flexibilität der Beratenden und variieren von aufenthaltsrechtlichen Fragen wie etwa zum Familiennachzug, der Suche nach geeigneten Integra- tionskurs- oder Kindergartenplät- zen, Leistungsanträgen, Fragen zur Krankenversicherung, Woh- nungs- und Arbeitssuche, Weiter- bildung, Einbürgerung, bis hin zu

Überschuldung (auch wegen auf- geschwatzter Verträge) und ehren- amtlicher Tätigkeit. Dabei kommt es auch häufig vor, dass die MBE die Vermittlerrolle zwischen den Familien und Vermietern, Arbeit- gebern, Arbeitsagentur/Jobcen- ter, Jugendamt und diversen Be- hörden einnimmt. Die Ratsuchenden verstehen oft- mals die Zusammenhänge bzw. das Zusammenspiel zwischen den Behörden nicht. So beispielsweise beim Erfordernis einer Geburts- urkunde für die Beantragung von Kinder- und Elterngeld. Gerade Fälle mit prekären Familienver- hältnissen bringen eine Reihe von verschiedenen Aufgabenfeldern mit sich, wie das Beispiel einer alleinerziehenden bulgarischen Mutter mit ihren drei Kindern zeigt: Zwei davon leiblich, eines davon nur das Kind ihres Lebensgefähr- ten, der sich in der JVA-Mann- heim aufhält. Für das gemeinsame Neugeborene gibt es weder Kin- der- oder Elterngeld, noch ist es krankenversichert – alles wegen der fehlenden Geburtsurkunde, obwohl die U-Termine beim Kin- derarzt noch anstehen. Die Mut- ter ist wegen der Elternzeit nicht mehr beschäftigt und erhält kei-

nerlei Unterstützung vom Staat. Da der inhaftierte Lebensgefährte das alleinige Sorgerecht für das Stiefkind der Frau innehat, wird es später vom Jobcenter nicht in der Bedarfsgemeinschaft mitberück- sichtigt und nicht wie der Rest der Familie übers Amt krankenver- sichert. Hinzu kommt noch, dass die Mutter des Inhaftierten mit in derselben Wohnung wohnt, bei der es sich um eine sogenannte „Schrottimmobilie“ handelt. Doch das Wohnungsamt lehnt Anfra- gen bezüglich eines Wohnbe- rechtigungsscheines wegen der schwierigen Familienkonstellation ab. Nach der Erledigung vieler u. a. mit der Existenzsicherung ver- bundener Schritte wird der Fall schließlich in enger Zusammen- arbeit mit der Kindesschutzstelle des Jugendamtes an eine Fami- lienhelferin weitergegeben. Allein aus dieser stark verkürzten Darlegung eines beispielhaften Falles geht schon hervor, wie viele Akteure an einem Fall beteiligt sein

Beim MBE-Aktionstag am 14.09.2022 auf dem Mannheimer Marktplatz kritisieren die Beraterinnen und Be- rater die Haushaltskürzungen für den Migrationsbereich

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