Rheingold

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53 EINE WEINREISE ––

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Sich in Nierstein zu verfahren muss man erstmal schaffen ... Das Weingut Wedekind scheint es irgendwie zweimal zu geben. Wie wir später lernen, ist das eine das eigentliche Weingut – mehr eine Halle neben einer renovierungsbedürftigen Gründerzeitvilla – und das andere sind die Verkostungsstube und das Wohnhaus von Philipp Wedekind, in einem deutlich älteren Fachwerkhaus. Dazwischen liegt eine Baustelle, die halb Nierstein unzugänglich macht und im Zusammenspiel mit den vielen Einbahnstraßen unser Navigationsgerät zur Verzweiflung bringt. Wir wollen einfach nur den Wagen abstellen.

WE D E K I ND

hin.“ Bevor ich etwas erwidern kann, fährt er lächelnd fort: „Ich kann mir vorstellen, dass ihr den gut fändet. Etwas kühler in der Aromatik, fordernder und gar nicht schlecht. Aber wenn du sowas nur alle paar Jahre hinbekommen kannst und es dann gut, aber nicht wirklich groß ist, macht

E in Parkplatz ist nicht in Sicht, bis wir plötzlich wirklich vor dem Ökologischen Weingut We-

DER MUTIGE

dekind, direkt am Marktplatz, stehen. „Na, gefunden?“, grinst uns Philipp Wedekind an. Er empfängt uns lässig, als würden wir schon seit Sandkastenta- gen miteinander Weine handeln. Manch anderer Winzer ist angespannter, wenn der Kölner Weinkeller zum Listungs- gespräch anrückt. Aber Entspanntheit scheint bei ihm eine vorherrschende Grundhaltung zu sein. Im Hof klettern Kinder herum und der jüngste Sohn meint, er würde uns keinen Wein ver- kaufen, „wir kennen uns ja noch gar nicht“. Eine gesunde Einstellung, denn

das keinen Sinn.“ Ich frage staunend: „Also, du hast es 17 Jahre mit der Reb- sorte versucht und jetzt weg damit ...?“ Philipp Wedekind erklärt uns, dass es einfacher ist, Riesling zu pflanzen oder Pinot noir. Dann könne man auf viele Jahre Weinbauerfahrung zurückgreifen und wisse genau, auf welchem Boden die Rebstöcke am besten wachsen. Hin- zu käme, dass man unter sehr vielen Klonen genau die Pflanzen wählen kön - ne, die am besten zum Weingut und den Lagen passen. Wenn etwas Unvorherge- sehenes passiert, reißt man die Reben

» DAS THEMA NACH- HALTIGKEIT KOMMT MEINES ERACHTENS IM WEINBAU NOCH VIEL ZU KURZ. «

Philipp Wedekind

nicht einfach heraus, sondern fragt Nachbarn oder liest in der Fachliteratur nach, wie es besser geht. „Zu den meisten PiWis gibt es das alles nicht, wir stehen da am Anfang, so wie die Leute, die vor 1000 Jahren den ersten Riesling ge- pflanzt haben.“ Wir fragen nochmal: „Also braucht man erst eine Ex- perimentierphase?“ Seine Antwort folgt prompt und fröh- lich: „So ungefähr.“ Da ist kein Groll auf den unwilligen Pi- notin oder seine Schöpfer zu erkennen. Dann steht er auf und verkauft Passanten nach einer gründlichen Beratung drei Flaschen Wein. Die Hochachtung vor Philipp Wedekind wächst gerade ins Unermessliche. Ein Magellan der Wein- welt oder besser ein Elcano, denn der brachte immerhin ein paar der Abenteurer durch. Damit es richtig sportlich wird, hat er sich auch noch so ziemlich alles aufgebürdet, was man machen kann: bio, Ecovin und vegan – das gilt für alle seiner Weine, aber darüber will er gar nicht so richtig sprechen.

Vertrauen ist im Weinhandel eine der wichtigsten Tugen- den. Das scheint zum Glück mit diesem Winzer schnell her- gestellt zu sein. „Wir haben uns gedacht, wir versuchen es mal mit den PiWis“, erzählen wir ihm. Vorher haben wir natürlich schon einiges verkostet. (PiWi ist das Kürzel für pilzwider- standsfähige Rebsorten.) „Und dann seid ihr bei mir ge- landet, das ist ja nett“, meint er ohne jede Koketterie. Da drängt sich die Frage förmlich auf, warum es so wenig Pi- Wis im Premium-Bereich gibt. „Es gibt ja auch nicht so vie- le Weinberge mit PiWis und die meisten davon auch noch nicht lange ...“ Klingt logisch, wir schauen trotzdem etwas dumm drein. „Schaut mal, ihr wolltet doch den Pinotin ha- ben.“ Er hatte uns davon abgeraten, weil es ihn bald nicht mehr geben wird. „Den habe ich vor 17 Jahren gepflanzt und jetzt mache ich aus ein paar Reben vielleicht noch Rosé, aber wenn es geht, kommt da bald etwas anderes

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WINZERTALK 21.09.2023 Seite 86

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