IJAB journal 1|2022: Nachhaltig unterwegs

IJAB journal 1|2022

INTERVIEW

„Wir sind eine starke Gemeinschaft“

Jugendarbeit während des Krieges in der Ukraine. Ein Interview mit Liliia Steptschenko Liliia Steptschenko war Langzeitfreiwillige im Bonner Büro von Service Civil International (SCI). Im Sommer letzten Jahres kehrte sie in die Ukraine zurück und begann später im Jugendzentrum ihrer Heimatstadt zu arbeiten. Am 24. Februar 2022 überfiel Russland die Ukraine. An diesem Tag veränderte sich auch Liliias Leben schlagartig. Jetzt geben ihr die Jugendarbeit und die Arbeit mit Geflüchteten die Kraft weiterzumachen.

IJAB: Liliia, du lebst in Bila Zerkwa, südlich von Kyjiw. Wie ist die Situation in der Stadt?

fortgeführt. Durch das Ukraine-Programm von USAID haben wir im Wettbewerb “Youth HERE: create a com - munity of youth perspectives” innerhalb des Programms “We dream and act” Sach- und Personalmittel gewonnen.

Dank unserer Armee ist die Lage im Augenblick stabil. Vor ein paar Wochen war es sehr viel schlimmer – du hast es ja gesagt, wir sind nicht weit von Kyjiw entfernt. Im Augenblick haben wir mehrere Luftalarme am Tag, aber die Menschen haben sich schon so daran gewöhnt, dass sie nicht immer in den Keller gehen. Außerdem gibt uns unsere Luftabwehr ein Gefühl der Sicherheit. Bei unserem letzten Gespräch klangst du sehr nieder- geschlagen und wolltest kein Interview geben. Jetzt hast du von dir aus angeboten, etwas zu erzählen. Was hat sich verändert? Ich bin jetzt Jugendarbeiterin in unserem lokalen Jugend - zentrum. Das ist für mich ein wichtiger Schritt. Außerdem haben sich unsere Rahmenbedingungen verbessert. Bis vor kurzem gab es keine Definition, was Jugendarbeit überhaupt ist. Jetzt haben wir ein neues Gesetz und ich bin Teil einer anerkannten Berufsgruppe. Am 1. Septem - ber 2021 bin ich aus Deutschland zurückgekommen und habe angefangen im Jugendzentrum zu arbeiten. Zu uns kamen viele junge Menschen und wir haben das ange - boten, was sie interessierte: Workshops oder Vorträge zu ihren Wunschthemen zum Beispiel oder Freizeitakti - vitäten und Entwicklung und Umsetzung eigener kleiner Projekte. Während des Lockdowns haben wir das online

Wie ging es dann weiter?

Am 26. Februar 2022 wollten wir das einjährige Beste - hen unseres Jugendzentrums feiern. Am frühen Morgen wurde ich durch zwei Luftangriffe geweckt. Ich hörte zwei schwere Einschläge. Ich war zuhause und hatte das – wie viele andere auch – nicht erwartet. Ich habe sofort ange - fangen, SMS an die Mitglieder meiner Jugendgruppe zu schreiben. Wo seid ihr, seid ihr okay? Ich habe mir wirk - lich große Sorgen gemacht. Ein Jugendlicher schrieb mir, die Einschläge seien sehr nah und sehr laut gewesen. Dann bin ich in Panik geraten, hatte aber keine Ahnung, wohin ich laufen sollte. Später sind meine Familie und ich dann in ein benachbar - tes Dorf gezogen, meine Großmutter hat dort ein Haus. Meine Eltern gingen weiter zur Arbeit, meine Mutter ar - beitet in einem Krankenhaus. Sie wird dort gebraucht und kann sich nicht einfach freinehmen. Bei meinem Vater ist es genauso. Die nächsten Wochen waren sehr hart. Ich habe die ganze Zeit die Nachrichtenkanäle rauf und runter gescrollt. Ich konnte nichts essen, es ging mir wirklich schlecht. Dann habe ich mir gedacht: Du musst jetzt etwas tun. Das hat sich dann als Therapie erwiesen.

Bundesjugendministerin Lisa Paus im Gespräch mit Y7-Delegierten

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