IHK-Magazin Ausgabe 05/2022

TIPPS

IN DER KRISE Insolvenz als

UNTER- NEHMENS- FÜHRUNG

letzte Rettung? Wie handeln Betriebe, wenn eine Insolvenz unausweichlich scheint? Peter Depré, Fach- anwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht, beantwortet die wichtigsten Fragen.

der erforderlichen Mehrhei- ten, nicht zu Stande kommt, besteht die Möglichkeit der Restschuldbefreiung. Das heißt drei Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens können Altverbindlichkeiten, die vor Verfahrenseröffnung entstan- den sind, nicht mehr gegen den Schuldner durchgesetzt werden. Im Insolvenzverfah- ren selbst kann nur verteilt werden, was an freier Masse zur Verfügung steht. Vorhan- dene Vermögenswerte des In- solvenzschuldners werden zu Geld gemacht und das pfänd- bare Einkommen eingezogen. Diese zur Verteilung angesam- melte Insolvenzmasse wird durch den Insolvenzverwalter, nach Abzug der Verfahrens- kosten, als Quote gleichmäßig an die Gläubiger entsprechend ihrer Forderungshöhe ausge- schüttet. Wie ist die Situation für kleinere Betriebe? Gerade für Kleinunterneh- mer, wie Soloselbständige oder Handwerker, die nicht in der Rechtsform der GmbH tätig sind, gibt es auch die Möglichkeit, die selbständige Tätigkeit oder den Gewerbe- oder Handwerksbetrieb nach Insolvenzeröffnung, durch den Insolvenzverwalter, aus der In- solvenzmasse an den Schuld- ner freizugeben. Dieser hat dadurch die Möglichkeit, vo-

rausgesetzt sein Geschäftsmo- dell hat Zukunftsperspektive, sich wieder in das gesellschaft- liche Leben einzugliedern und wirtschaftlich künftig wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Mittels der Freigabe kann der Schuldner seine Kompetenzen und Fähigkeiten nutzen, ohne dann durch die Verbindlich- keiten aus der Vergangenheit belastet zu sein. Verliert der Unternehmer alles in der Insolvenz? Der Unternehmer ist auch in der Insolvenz geschützt durch das sogenannte pfän- dungsfreie Einkommen. Auch während des laufenden Insolvenzverfahrens, wenn er eine berufliche Tätigkeit ausübt, steht ihm, sofern er einen Restschuldbefreiungs- antrag gestellt hat, bis zum Ablauf der Dreijahresgrenze ein pfändungsfreier Betrag zur Lebensgestaltung auf niede- rem Niveau zu. Was passiert, wenn ich als Einzelunternehmer in einer ausweglosen Situation bin, aber keinen Insolvenzantrag stelle? Dann vergeude ich in der Regel eine Chance. Es beginnt das „Windhundrennen“. Alle Gläu- biger, wie Finanzamt, Vermie- ter oder Krankenkasse wählen den Weg der Einzelzwangs- vollstreckung, das heißt,

Ist die Insolvenz wirklich der letzte Ausweg? Kann der Unternehmer seine Verbindlichkeiten nicht be- gleichen und sind die Gläubi- ger nicht mit Ratenzahlungen, Stundungen oder Forderungs- verzichten einverstanden, kann es sich empfehlen, einen Insolvenzantrag wegen Zah- lungsunfähigkeit zu stellen. Die Zahlungsunfähigkeit wird nach der Rechtsprechung so definiert, dass diese dann eintritt, wenn der Schuldner nicht mehr in der Lage ist 90 Prozent seiner fälligen Verbindlichkeiten innerhalb einer Drei-Wochen-Frist zu bedienen. Das für natürliche Personen jüngst reformierte Insolvenzrecht ermöglicht es dem redlichen Schuldner sich innerhalb von drei Jahren zu „entschulden“. Gibt es Gestaltungsspiel- räume in der Insolvenz? War früher der Konkurs gleichbedeutet mit dem „wirt- schaftlichen Tod“, gibt unsere Rechtsordnung dem geschei- terten Unternehmer heute eine zweite Chance. So kann bei- spielsweise, wenn ein außer- gerichtliches Schuldenbereini- gungsverfahren nicht gelingt, ein sogenanntes Insolvenz- planverfahren durchgeführt werden, das einen Neustart eröffnet. Aber selbst wenn ein Insolvenzplan, etwa mangels

Offen bleiben: Wie rette ich mein Unternehmen vor der Betriebsauf - gabe?

13.993 UNTERNEHMENS- INSOLVENZEN gab es 2021

in Deutschland QUELLE: DESTATIS

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