IHK-Magazin Ausgabe 2/2024

STANDORT

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V ielen sind sie aufgefallen, die weißen Ungetü- me, die 2022 und 2023 langsam die Straßen entlangfuhren, immer wieder stehen blieben und seltsame Rüttelgeräusche verbreiteten. Die auf dem ersten Blick ungewöhnlichen Lkw auf den Straßen von Mannheim, Ladenburg oder Hirschberg gehörten zur Vulcan Energie Ressourcen GmbH. Ihre Aufgabe: den Untergrund zu untersuchen. Die Messergebnisse der sogenannten 3D-Seismik bilden die Grundlage, um Bohrstandorte für Thermalwas- ser zu identifizieren. Bohrungen wurden bislang allerdings noch keine vorgenommen. Für was das Thermalwasser zum Einsatz kommen könnte? Vulcan hat einen Wärmeliefervertrag mit der MVV unterzeichnet, mit dem Ziel, Mannheim mit erneuerbarer Energie aus geothermischem Tiefen- wasser zu versorgen. Der Vertrag geht über 20 Jahre und beginnt 2025. Dann soll Vulcan zwischen 240 und 350 Gigawattstunden Wärmeenergie pro Jahr aus einem noch zu errichtenden Geothermieheiz- werk an die MVV liefern. Insgesamt können so circa 25.000 bis 35.000 Mannheimer Haushalte mit heimischer, klimaneutraler Energie versorgt werden. Doch die Vulcan hat eine weitere Intention. Sie will die deutsche Rohstoffwirtschaft geradezu aufmi- schen – zumindest, was die Förderung von Lithium angeht. Denn dieser für die Energiewende elemen- tare Rohstoff ist im Thermalwasser der Oberrhein- ebene gelöst, wie Geologen vor einiger Zeit entdeckt haben. Dieses Lithium möchte unter anderem das Unternehmen Vulcan CO2-neutral für die Batterie- industrie in Deutschland und in Europa gewinnen. Ab 2026 soll die Lithium-Produktion konzernweit so weit hochgefahren werden, dass die Menge in einer ersten Produktionsphase für rund 500.000 E-Autos und ihre Batterien reicht. Das wären etwa fünfzigmal mehr, als im Rhein-Neckar-Kreis zu- gelassen sind oder anders ausgedrückt: Die Hälfte der derzeit in Deutschland zugelassenen Elektro- Autos könnten mit Lithium aus der Region zwi- schen Mannheim, Landau und Karlsruhe betrieben werden. Theoretisch. Doch was macht Lithium so begehrt? Keine Ener- giewende ohne das „weißes Gold der Zukunftstech- nologien“, kann man plakativ formulieren. Es hat allerdings einen Schönheitsfehler: In Deutschland gibt es weder nennenswerte Lithiumvorräte noch Verarbeitungskapazitäten. Wie bei vielen anderen wichtigen Rohstoffen sind die Abhängigkeiten vom Ausland enorm. Dass diese reduziert werden sollten, gilt nicht nur bei der aktuellen Regierungskoalition als Konsens. Schon die Vorgängerregierung formulierte 2020 mit ihrer „Rohstoffstrategie der Bundesregierung“, dass unter anderem die primäre Rohstoffgewinnung

in Deutschland und Europa im Bereich Metall gefördert werden soll. So entwickelten sich innerhalb Deutschlands einige Aktivitäten, um offensichtlich doch vorhandene Lithium-Vor- kommen zu erschließen. An vielen Stellen der Mittleren Oberrheinebene wird teilweise schon seit Römerzeit das heiße Tiefenwasser zur Energieversorgung genutzt – inzwischen über hochmoderne Wärmetauscher, bei denen das Wasser nach Abgabe ihrer Wär- meenergie wieder in die Tiefe geleitet wird. Die Wärme wird nicht nur in die Fernwärmeversor- gung eingespeist, sondern kann auch direkt zur Stromproduktion genutzt werden. Seit einigen Jahren ist bekannt, dass dieses Thermalwasser neben zahlreichen Mineralien auch Lithium in großen Mengen enthält: Hier wurden Lithium- gehalte von 160 bis 210 Milligramm pro Liter gemessen. Auf diese Erkenntnis setzen zwei Unternehmen in Bruchsal und in der Region um Landau: In Bruchsal betreibt der Energieversorger EnBW mit Partnern das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderte Verbund- projekt „UnLimited“ („Untersuchungen zur

Lithiumproduktion aus heißen Tiefenwässern in Deutschland“) und erprobt mit einer Pilotanlage die Potenziale der Lithiumgewinnung aus dem salzhaltigen Thermalwasser. Rund 30 Liter Wasser strömen pro Sekunde in der Geothermie-Anlage des Oberrheingrabens nach oben. Bei rund 8.000 Betriebsstunden jährlich ließe sich in der Bruchsaler Geo- thermie-Anlage eine Lithiummenge fördern, die ausreichend für die Produktion von etwa 20.000 Akkus für Elektroautos wäre. Für die Extraktion des wertvollen Rohstoffs bringen die „UnLimited“-Partner ein Ionensieb in den Kreislauf aus gefördertem und zurückgeführ- ten Thermalwasser ein: In Zylindern werden in einem ersten Schritt die Lithiumionen aus dem Thermalwasser herausgefiltert und in einem zweiten Schritt weiter konzentriert, bis sich das gelöste Lithium als Salz ausfällen lässt. Weil das in einem geschlossenen Kreislauf zirkulierende Thermalwasser nach der Nutzung wieder in den Untergrund zurückfließt, bleiben die unterirdi- schen Tiefenwasservorräte erhalten. Auf der rheinland-pfälzischen Rheinseite be- schreitet die Vulcan Energie Ressourcen GmbH

LITHIUM IN THERMALWASSER Meilenstein in der Energiewende? Wird in der Metropolregion bald „weißes Gold“ gefördert? Auf Lithium-Spurensuche an Rhein und Neckar

89 MILLIONEN TONNEN Lithiumreserven weltweit QUELLE: U.S. GEOLOGICAL SURVEY

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Wertvolle Mineralien-Berge: Lithium-Abbau in der argentini - schen Salzwüste Salinas Grandes

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IHK Magazin Rhein-Neckar 02 | 2024

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