IHK-Magazin Ausgabe 04/2023

STANDORT

LASTENRAD Alternative zum Dienstfahrzeug? Ob Lastenräder eine gute Wahl für Unternehmen sind, hängt sehr vom Einzelfall ab. Zwei Beispiele.

K onrad Weiß, geschäfts- führender Gesellschafter der B&S Service GmbH in Sinsheim-Waldangelloch, setzt seit vielen Jahren auf Nach- haltigkeit. 2010 installierte der Sicherheitsspezialist Photo- voltaikanlagen am eigenen Logistikzentrum mit integrier- tem Repair-Center, errichtete ein Windrad und nutzt seither Biomasse zum Betrieb der Heizungen. 2011 nahm B&S den ersten von mittlerweile zwei großen Stromspeichern in Betrieb. Mit diesem Ökostrom aus Eigenerzeugung werden nicht nur die vierrädrigen Dienstfahrzeuge, sondern auch die beiden elektrisch angetrie- benen Lastenräder aufgeladen. Jedes der beiden Räder fährt etwa 1.200 Kilometer im Jahr. „Immerhin 100 bis 110 unse- rer Kunden sitzen im Umkreis von fünf bis sechs Kilometern und können von unseren Ser- vicetechnikern oder mir mit dem Lastenfahrrad samt Werk- zeugkoffer und Kleinmaterial angesteuert werden“, erzählt der Chef. Die Mitarbeiter seien mit großer Begeisterung dabei und würden auch die andert- halb Kilometer zwischen den beiden Unternehmensstand- orten am liebsten mit dem Rad bewältigen. Insbesondere wenn nur eine Besprechung ansteht oder Papierkram und leichteres Material von A nach B zu transportieren sind. Bei 80 Kilogramm Zuladung sieht Weiß die Grenze – für die War-

tung von Brandmelde- oder Einbruchmeldeanlagen ist aber in der Regel kein schweres Ge- päck nötig. „Wir haben hier in Sinsheim und Umgebung zwar keinen Radschnellweg, aber sehr gut ausgebaute norma- le Radwege, die auch prima beschildert sind. Auch die Kunden freuen sich über unser Statement in Sachen Nachhal- tigkeit“, sagt der Unternehmer. In Mannheims Innenstadt sind der Freiheit des Lastenrads derweil Grenzen gesetzt. Café Blum ist eine weithin bekann- te Manufaktur für Kuchen und Torten samt Café in der Schwetzingerstadt. Inhaber Harald Blum schaffte 2021 ein Lastenrad an, um Kunden in der Innenstadt beliefern zu können. „Dafür gab es viele gute Gründe. Auf der einen Seite wollten wir dem Ver- kehrschaos und den vielen Staus in der Innenstadt aus dem Weg gehen und gleich- zeitig die Umwelt entlasten, auf der anderen wollten wir Mitarbeiter ohne Führerschein einsetzen können und etwas für die Fitness unserer Leute tun“, sagt er Das ließ man sich auch etwas kosten und rüstete das Lastenrad mit einer beson- deren Dämpfung aus, damit es auch die zarten Tortenkreatio- nen des Hauses unbeschadet ans Ziel bringen konnte. Doch die Rechnung ging nicht auf. Schon nach drei Mona- ten zog Blum die Reißleine

und nutzt das Rad seither nur noch auf der kurzen Strecke zwischen der Backstube in der Seckenheimer Straße und dem Café in der Schwetzinger Straße, „und das auch nur für unsere unempfindlicheren Produkte wie Nusskuchen“. Viele Hindernisse müssten in Mannheim noch aus dem Weg geräumt werden, bevor Blum das Thema Lastenrad wieder in Angriff nehmen würde. Von holperigen oder schadhaften Straßenbelägen über gefährli- che, querverlaufende Straßen- bahnschienen und Radwege, die unvermittelt enden, bis hin zum Hauptproblem: Wo soll man das Gerät eigentlich abstellen? Zwar gebe es Fahr- radabstellflächen, doch seien diese für die langen Lasten- räder einfach zu kurz, sodass man mit dem Heck immer verboten auf der Straße steht. Und auf Bürgersteigen zu parken, ist auch nicht erlaubt. „Hinzu kommt die paradoxe Situation, dass etwa auf den Planken Fahrräder nur bis 8 Uhr morgens fahren dürfen, Lieferautos aber bis 11 Uhr. Da das Lastenrad als Fahrrad gilt und nicht als Lieferfahrzeug, entfiel für uns dieses gesamte Zielgebiet“, moniert Blum. Das Thema Lastenrad hat er für sich erstmal abgehakt.

Bei B+S steigt auch der Chef Konrad Weiß aufs Lasten- rad. Die beiden elektrisch angetrie- benen Lastenräder können an der hauseigenen Lade- station aufgeladen werden.

Als Unternehmen Lastenräder testen? Beim Projekt „Ich entlaste Städte 2“ gibt es die Möglichkeit. www.lastenrad- test.de

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IHK Magazin Rhein-Neckar 04 | 2023

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