Baureihe 44 Öl DB/DR
preise. Mit Beginn des iranisch-irakischen Krie- ges 1980 erreichte der Ölpreis Rekordniveau. Ein Barrel Rohöl kostete zeitweise über 40 Dollar. Das hatte natürlich Folgen für die DDR-Wirt- schaft, auch wenn diese 90 Prozent ihres Roh- erdöls aus der Sowjetunion bezog. Bis 1975 galten im Erdölgeschäft zwischen der DDR und der Sowjetunion langfristige Preis- und Lieferver- träge. Nach der ersten Ölkrise infolge des Nah- ostkrieges 1973 wurde diese Praxis jedoch auf- gegeben. Fortan wurden die Preise für das sow- jetische Roherdöl auf der Grundlage des Durchschnittspreises auf dem Weltmarkt jähr- lich neu verhandelt. Die Kosten für den Import des wichtigen Rohstoffs stiegen dramatisch an. Zahlte die DDR 1975 lediglich 50 Prozent des Weltmarktpreises, waren es 1978 schon rund 80. Angesichts dieser Entwicklung musste die DR 1979 den Einsatz ihrer ölgefeuerten Dampfloko- motiven einschränken. Das war aber nicht nur den gestiegenen Ölpreisen geschuldet, sondern auch dem PCK Schwedt. Dort wurde im Herbst 1979 ein sogenannter VIS-Braker in Betrieb genommen, mit dessen Hilfe das schwere Bun- keröl D weiter aufgespalten werden konnte. Aus dem einstigen Abfallprodukt wurde so ein wert- voller Rohstoff. Daher beschloss der Ministerrat der DDR am 13. September 1979 Maßnahmen zum rationellen Einsatz und zur Einsparung von Elektroenergie, Wärme, Brenn- und Treibstoffen in der Volkswirtschaft und zur Beseitigung der Energieverschwendung. Das MfV ordnete daraufhin am 2. Oktober 1979 für die DR einen strikten Sparkurs beim Verbrauch von Diesel- kraftstoff und schwerem Heizöl an. Das führte zu ersten Einschnitten beim Einsatz der Bau- reihe 44.0. Deren Aufgaben übernahmen in erster Linie Dieselloks der Baureihen 120 und 132. Bis zum Jahresende 1979 konnte die DR 2.949 Tonnen des wertvollen schweren Heizöls einsparen. Für 1980 meldete man sogar eine Ein- sparung von mehr als 29.000 Tonnen. Im Som- mer 1980 bildete die Baureihe 44.0 noch immer das Rückgrat im schweren Güterzugdienst in den Bahnbetriebswerken Eberswalde (14), Nordhausen (17), Saalfeld (22), Sangerhausen (20) und Wittenberge (11). Im Bw Güstrow (4) endete im Winterfahrplan 1980/81 still und leise der Einsatz der „Jumbos“. In den Bahnbetriebs- werken Gera (3), Schwerin (1) und Wismar (1) dienten die Ölloks nur noch als Wärmespender. Im Frühjahr 1981 änderte sich die Situation schlag- artig: Nach langen Verhandlungen einigten sich am 19. März 1981 die DDR und die Sowjetunion auf die Lieferung von jährlich 19 Millionen Tonnen Roherdöl bis 1985. Doch nur wenige Wochen spä- ter kündigte die sowjetische Seite den Vertrag und kürzte das jährliche Kontingent auf rund 17 Millio- nen Tonnen – aber zum gleichen Preis. Damit konnte die DDR nicht mehr ihren Eigenbedarf und gleichzeitig ihre Lieferverpflichtungen gegenüber der Bundesrepublik Deutschland erfüllen. Die SPK strich daraufhin die Heizölkontingente für die DR.
Abendruhe für 44 0093 am 1. Juli 2023 im Museums-Bw Arnstadt
Andreas Höfig/Eisenbahnstiftung
In der Folge ordnete die HvM am 1. September 1981 die Ablösung aller ölgefeuerten Dampfloko- motiven bis zum 31. Dezember 1981 an. Die Aufga- ben der Baureihe 44.0 übernahmen meist Maschi- nen der Baureihe 132, da Dieselkraftstoff als Endprodukt der Erdölverarbeitung einfacher zu beschaffen war. Binnen weniger Monate schoben die Bw Eberswalde, Nordhausen, Saalfeld, Sanger- hausen und Wittenberge ihre „Jumbos“ aufs Abstellgleis. Die vorerst letzten Einsätze im Zug- dienst erbrachten am 10. Januar 1982 die Nord- häuser 44 0354 und die Sangerhäuser 44 0304. Was sollte aus den noch eingelagerten Heizölvor- räten werden? Für die HvM stellte sich die Frage: Aufbrauchen oder nach Schwedt transportieren? Aufgrund der vergleichsweise geringen Mengen sowie des hohen Aufwandes für das Umfüllen Die erneut auf Ölhaupt- feuerung umgerüstete 44 0093 erinnert als Letz- te ihrer Art an diese Ära und den Transport des schweren Bunkeröls D gestattete der Ministerrat der DDR der DR das Verfeuern der Restbestände, was im Frühjahr 1982 erfolgte. Das Bw Eberswalde heizte dazu noch ein- mal 44 0182 an, die ab 16. März 1982 eingesetzt wurde. Nach 6.069 Kilometern wurde die Maschi- ne am 16. April 1982 abgestellt. Das Bw Nordhau- sen reaktivierte 44 0354, 0486 und 0500, die ab 11. März 1982 für knapp vier Wochen zum Einsatz kamen. Im Bw Saalfeld stand zuerst 44 0104 wieder unter Dampf, ehe 0196 und 0757 folgten. 44 0196 wurde am 31. März 1982 abgestellt und durch 44 0414 ersetzt, die nur eine Woche später, am 7. April 1982, mit den beiden anderen „Jumbos“ ausgedient hatte. Den Schlusspunkt unter die Ära der Baureihe 44.0 setzte das Bw Sangerhausen: Ab 11. März 1982 bespannten 44 0093 und 0687 wieder Güterzüge. 44 0989 folgte aufgrund not- wendiger Reparaturen erst einen Tag später. Am
1. April 1982 half 44 0504 im Streckendienst aus, die dann am 4. April 1982 mit eigener Kraft ins Raw Meinungen rollte. Zum 8. April 1982 endete der Einsatz der Öl-44er im Bw Sangerhausen. 44 0093 stand noch einige Tage unter Dampf, be- vor sie am 18. April 1982 zum Raw Meiningen fuhr. Im Gegensatz zu ihren DB-Schwestern blieb den meisten Maschinen der DR-44.0 der Weg zum Schrottplatz erspart. Das Raw Meiningen be- gann im Januar 1982 damit, die „Jumbos“ auf Kohlefeuerung zurückzubauen und die Lokomo- tiven anschließend als Wärmespender zu nut- zen. Bis zum 31. Mai 1983 wurden 56 Maschinen zu fahrfähigen Heizlokomotiven, 17 Loks zu provisorischen mobilen Heizanlagen und acht Maschinen zu Dampfspendern umgebaut. Eine Sonderrolle nimmt dabei 44 1093 ein: Nach ihrem Rückbau auf Rostfeuerung am 11. Juni 1982 diente die Lok zunächst als Wärmespender, bevor sie den Status eines historischen Fahr- zeugs der DR erhielt und als betriebsfähige Museumsmaschine ab 4. Oktober 1983 im Bw Sangerhausen betreut wurde. In den 1980er-Jah- ren nahm 44 1093 an zahlreichen Sonderfahrten und Lokausstellungen in der DDR teil. Wenige Wochen vor dem Fall der Mauer wurde die Lok sogar auf einer Fahrzeugschau im Bahnhof Ber- lin-Wannsee präsentiert. Nach der deutschen Wiedervereinigung bewies 44 1093 bei mehre- ren Plandampf-Veranstaltungen, dass sie noch nicht zum alten Eisen gehörte. Ab 1. September 1992 war die Maschine formal im Bw Arnstadt stationiert, wurde aber weiterhin von ihren an- gestammten Sangerhäuser Personalen besetzt und gehörte ab 1. Januar 1994 zu den Museums- fahrzeugen der DB AG. Diese ließ die Lok 1996 wieder mit einer DR-Ölhauptfeuerung ausrüs- ten. Damit anvancierte das nun wieder als 44 0093 bezeichnete Museumsstück zur letz- ten betriebsfähigen ölgefeuerten Dampflok der Baureihe 44 in Deutschland. Diese Ära endete am 7. Mai 2000. Seither gehört 44 0093 als roll- fähiges Schaustück zur Fahrzeugsammlung des Eisenbahnmuseums Arnstadt. Dirk Endisch
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