eisenbahn magazin

Baureihe 221 im Ruhrgebiet

Vor den schweren Zügen im Revier spielt die DB-Baureihe 221 in den 80er-Jahren ihre sprichwörtlichen Stärken aus. Am 28. April 1988 rollt die altrote 221 127 mit einem leeren Schüttgutwagen-Ganzzug von den Hüttenwerken Krupp-Mannesmann

in Duisburg-Wanheimerort in Richtung Hochfeld Süd Egon Pempelforth

Zugbegegnung aus Lokführersicht: 221 103 kommt in Duisburg-Wedau mit einem Güterzug der 221 139 entgegen, auf der der Autor mitfahren darf Joachim Bertsch

E insatzstelle Duisburg-Wedau am 28. Juni 1985: Eigentlich will ich mich nur nach dem Einsatz der letzten roten 221 erkundigen, um mit den zusammengetragenen Informatio- nen eine Fototour zu planen. Doch es kommt anders. „Da kommen Sie extra aus dem fernen Stuttgart!“, zeigt sich der Lokleiter erstaunt und meint, ich solle jetzt nicht fotografieren, sondern die Lok bei einer Mitfahrt richtig ken- nenlernen – und das gleich eine ganze Dienst- schicht lang. Wow, für mich als Eisenbahnfan ist es ein wahres Geschenk, diese außerge- wöhnliche Gelegenheit zu erhalten. Die Euphorie ist nicht unberechtigt. Die Baurei- he 221 spielt in den 1980er-Jahren eine bedeu- tende Rolle im Güterverkehr des Ruhrgebiets. Die leistungsstarken Dieselloks sind ab 1977 zu- nächst im Bahnbetriebswerk (Bw) Gelsenkir- chen-Bismarck, später im Bw Oberhausen-Os- terfeld Süd beheimatet. Als Einsatzstelle spielt Duisburg-Wedau für den täglichen Betrieb eine wichtige Rolle. In den Jahren 1985 und 1986 habe ich das große Glück, mehrere Fahrten auf der 221 begleiten zu können und dabei diese ein- drucksvollen Maschinen kennenzulernen. Leistungsfähige Vierachser Im Vergleich zur V 200 0 (Baureihe 220) verfügen die 50 Maschinen der weiterentwickelten Bau- reihe V 200 1 (ab 1968: Baureihe 221) über fast 600 Kilowatt mehr Leistung. Die zweimotorige Konst- ruktion hatte mehrere Vorteile gegenüber den Baureihen 215 und 216, die ebenfalls im Ruhrge- biet im Einsatz waren: Während die 216 (1.397 kW) bis zu 1.800 Tonnen und die 215 (bis zu 1.840 kW) bis zu 1.900 Tonnen Anhängelast bewältigen konnten, bringt es die 221 mit ihrer Motorleistung von 1.986 kW (rund 2.700 PS) auf beeindruckende 2.400 Tonnen. Das ist besonders auf neigungs- reichen Streckenabschnitten von Bedeutung, wo schwer beladene Güterzüge zur Herausforde- rung werden konnten. Mit ihren beiden Maschi-

nenanlagen kann die 221 auch schwere Züge in einem schnelleren Gang befördern. Während eine 216 auf Hauptstrecken schon bei 80 km/h ihre Probleme mit hohen Zuglasten hat, kann die 221 diese Geschwindigkeit mit schwer beladenen Zügen problemlos fahren. Alltagsgeschäft im Ruhrgebiet Nach einem deftigen Mittagessen in der Kanti- ne – es gibt „Rote mit viel Pommes Schranke“ – geht es direkt auf den Führerstand der 221 139. „Der Kollege wird Ihnen nun die Maschine zei- gen.“ Der Lokführer, nennen wir ihn Horst, ist ein Original: Als echter Duisburger trägt er einen Schimanski-Schnauzbart und privat eine pas- sende M-65-Feldjacke. „Bei uns im Herti gehen diese grauen Jacken weg wie warme Semmeln“, scherzt er. Der Duisburger Kommissar Schiman- ski aus der ARD-Krimiserie „Tatort“ (gespielt vom Schauspieler Götz George) erlangt in den 80er-Jahren als unkonventioneller, rauer, oft cholerischer TV-Charakter Kultstatus – auch und insbesondere natürlich in Duisburg. In einer Folge dient eine 221 als Kulisse am Filmset. Sie ist natürlich ozeanblau-beige lackiert, da Mitte der 80er-Jahre gut dreiviertel der 48 Maschinen in dem damals modernen Farbschema der Bun- desbahn lackiert sind. Auf nach Hochfeld! Als Erstes steht eine Lokzugfahrt an. Das Ziel ist Duisburg-Hochfeld. Dort übernehmen wir einen mit Stahlerzeugnissen beladenen Güterzug des Programmverkehrs. Auf unsere 221 139 warten 1.700 Tonnen Anhängelast, die über die Haupt- strecken des Ruhrgebiets und des Rheinlands befördert werden müssen. Damit ist die maxima- le Anhängelast der 221 auf dieser Strecke ausge- schöpft, denn hinter Hochfeld ist eine Steigung zu bewältigen. Die Baureihe 216 kann hier bis zu 1.500 Tonnen ziehen, auch Dampfloks hatten einst diese Lasten am Zughaken angehängt, doch es bedurfte dann einer Schiebelokomotive.

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eisenbahn magazin 9/2025

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