Libau – Hasenpoth: Mit neuem Motor und Imbert-Holzgas-Generator Von den beiden in Lettland existierenden privaten Schmalspurbahnen war die Wol- marer Zufuhrbahn mit ihren beiden Stre- ckenästen Wolmar (lettisch: (Valmiera) – Smilten (Smiltene) und Wolmar – Haynasch (Ainaži) in der für Lettland üblichen Spur- weite von 750 Millimetern gebaut worden, während die Schmalspurbahn Libau – Ha- senpoth (lettisch: Liepājas – Aizpute) auf Meterspur fuhr. Als die Wolmarer Zufuhr- bahn 1930 den T 8 aus dem Südschwarz- wald kaufte, hatte sie die Absicht, diesen in ihrer eigenen Werkstatt auf 750-Millimeter- Spur umzubauen. Erfahrung im Umbau, besser: Eigenbau von Triebwagen hatte man, denn bis Ende 1930 war der Bestand an Eigenbau-Triebwagen in Wolmar bereits auf drei gestiegen, darunter ein Sentinel- Dampftriebwagen und ein Krupp-Schie- nenbus (siehe MIBA Heft 1/2022). Da die „Spitzmaus“ sich als untauglich für eine Umspurung erwies, reichte man sie noch im selben Jahr nach Libau weiter, wo sie nach kurzem Probelauf als M 1 zum Ein- satz kam. Beide Schmalspurbahnen hatten, wie viele andere Nebenbahnen, stark unter der Omnibus-Konkurrenz zu leiden, sodass man froh war, einen Teil der Dampfzüge durch Triebwagen ersetzen zu können. Im Geschäftsjahr 1930/31 leistete der M 1 44.000 Triebwagenkilometer, etwa ein Vier- tel der gesamten Zugleistungen im Perso- nenverkehr. Im Geschäftsjahr 1933/34 wa- ren es nur noch 25.000Triebwagenkilometer, denn im Laufe des Jahres 1934 wurde der M 1 aus dem Verkehr gezogen und einem größeren Umbau unterzogen. Er bekam ei- nen neuen Sechszylinder-Vergasermotor von Büssing NAG und einen Imbert-Holz- gas-Generator. Letzterer wurde nicht, wie etwa bei der Brohltalbahn, auf einem Ge- stell außen vor den Stirnfenstern aufgebaut, sondern wie bei den Mindener Kreisbahnen an einem der beiden Fahrzeugenden im
Die Lage der beiden lettischen Schmalspurbahnen mit „Spitzmaus-Kontakt“: von der Wolmarer Zufuhrbahn (750 mm) zum vierten Besitzer des DWK-Triebwagens 29, der meterspurigen Libau- Hasenpother Zufuhrbahn. Wagen 29 hatte in Libau seine erfolgreichste Zeit Slg. Dr. Rolf Löttgers
motor – wurde die Schmalspurbahn vorü- bergehend stillgelegt, um den drohenden Konkurs abzuwenden. Per 1. August 1938 ging die Bahn – und gingen mit ihr dieTrieb- wagen M 1 bis M 3 – in das Eigentum der Staatsbahn über. Diese baute die Strecke 1939 auf 750-Millimeter-Spur um und ver- längerte sie bis zum Libauer Staatsbahnhof. Mit der Aufnahme des 750-Millimeter-Be- triebs wurden die „Spitzmaus“ und die bei- den anderen Triebwagen per 1. September 1939 ausgemustert. Im April 1939 war kurz- zeitig noch erwogen worden, den M 1 für den Personenverkehr auf der unweit der Grenze zu Lettland verlaufenden Normal- spurstreckeVainode – Priekule – Kaleti um- zuspuren.
Einstiegsraum neben dem Fahrerpult instal- liert. Wegen der dafür nötigen Apparatur verringerte sich das Sitzplatzangebot da- durch geringfügig auf 40. Wie es scheint, war dieser Umbau ein voller Erfolg. Im Sommerfahrplan 1935 übernahm der M 1 zwei der insgesamt vier täglichen Zugpaare Libau – Hasenpoth (eine Fahrt 48,9 Kilometer) sowie fünf Zugpaare zwischen Libau und Grobina (Streckenkilometer 11,4). Damit kam der Triebwagen betriebstäglich auf 310 Laufki- lometer, was 60 Prozent der gesamten Leis- tungen im Personenverkehr entsprach. Am 17. Januar 1938 – seit 1936 liefen hier außer den Dampfzügen noch zwei weitere Eigenbau-Triebwagen mit Verbrennungs-
Das qualitativ schlechte Zeitungsbild zeigt den ehemaligen T 8 kurz nach seiner Ankunft in Libau 1930. Die Schmalspurbahn im westlichen Lettland war froh, mit dem Neuzugang aus DWK-Produktion der Konkurrenz des Omnibus etwas entgegensetzen zu können Slg. Toms Altbergs (2)
Leider wurde dieses Bild des M 1 auf genarbtem Fotopapier abgezogen. Sonst könnte man den neben dem vorderen Führerstand eingebauten Kessel des Holzgas-Generators besser erkennen. Die Aufnahme entstand kurz nach dem Umbau des M-1-Triebwagens 1934/35
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BAHN EXTRA 4/2022
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