Titel | ALLTAG
des Wagens, wo der erwähnte Briefraum mit wandhohen Sortierregalen die weitere Sortierung ermöglichte (5). Hier wurden die noch abzustempelnden Briefsendungen mit dem zugehörigen Streckenstempel be- druckt und dann auf die jeweiligen Fächer verteilt. Hierfür nutzte die Bundespost ei- nen eigenen, meist ovalen Stempeltyp, der neben der vom Bahnpostwagen befahrenen Strecke und der Zugnummer auch die Da- tumsangabe enthielt. Im Bereich des Briefraums befand sich auch der Briefkasten (4a) mit seinem Ein- wurfschlitz, der aus dem Bahnpostwagen ein echtes Postamt machte. Hier konnten Reisende und andere Postkunden ihre Briefsendungen direkt am Bahnsteig aufge- ben und damit eine schnelle Beförderung sicherstellen. Größere Briefsendungen konnten auch an den Türen des Bahnpost- wagens abgegeben werden. Die Briefkästen am Wagen wurden von den Bahnpostwa- genfahrern direkt nach der Abfahrt vom Bahnhof geleert; die darin enthaltenen Post- sendungen bezog man in den normalen Sortierfluss – die Bearbeitung der Postsen- dungen unterwegs – mit ein. Sortieren nach Priorität Gemäß der Prioritätenreihenfolge musste die Post für die nächsten anzufahrenden Bahnhöfe vorbereitet werden: entweder die für dort bestimmten Sendungen oder aber solche, die dort auf andere Strecken über- gingen. Hierfür mussten die Bahnpostbe- amten der Feinverteilstellen im Briefraum (4b) zeitig genug vor der Ankunft die Brief- post zu neuen Briefbunden binden. Die Bunde wurden von den Verwerfern in die entsprechenden Postbeutel in den Spannge- stellen des Aussackraums (6) befördert. Die Postbeutel wurden dann für den Abstoß (das Entladen aus dem Wagen) vorbereitet, zugeschnürt und mit Fahnen versehen. Die fertigen Postbeutel lagerte man ebenso wie die für den nächsten Bestimmungsbahnhof vorgesehenen Pakete, Päckchen und Zei- tungsbeutel in der Nähe der seitlichen Tü- ren, was eine schnelle Umladung und Neu- aufnahme weiterer Sendungen ermöglichte. Je nach Größe des Wagens, der Wichtig- keit der durchfahrenen Strecke und der Menge des Postaufkommens konnten mehr als zehn Bahnpostbeamte während der – häufig über Nacht stattfindenden – Fahrt im Wagen beschäftigt sein (siehe Kasten). Bei weniger wichtigen und kürzeren Kursen, etwa auf Nebenstrecken als Anschlusstre- cken anderer Postkurse, konnten auch deutlich weniger Bahnpostler im Bahnpost- wagen arbeiten – mit anderer Aufgabenver- teilung. Grundlage war und blieb aber stets ein wirtschaftliches Arbeiten „Hand in Hand“ und die Zielvorgabe „E+1“. Das ha- ben die Bahnpostkurse bis zuletzt fast im- mer geschafft …
Am 10. Juli 1974 legt 103 235 mit D 587 Bremerhaven-Lehe – München einen Zwischenstopp in Gemünden am Main ein. Bahnpostler wie Bundesbahner nutzen den Aufenthalt zum Be- und Entladen des Post- bzw. des Gepäckwagens Hans Schmidt/Slg. Oliver Strüber
bereits grob nach Gebieten wie „Nordbay- ern“, „Rheinpfalz“ oder „Hannover-Ham- burg hinter Uelzen“ vorsortiert war, die auf der Route des Zuges lagen. Die so beschrifte- ten Beutel konnten gleich nach der Übernah- me an die Feinverteilungsstellen im Brief- raum (4) weitergeleitet werden. Die zweite Bearbeitungsprioritätsstufe besaßen Zei- tungsbeutel (weiße Fahnen mit grünem „Z“) sowie Beutel mit dem „Postzeitungsgut mit rotem Kreis“ wieTageszeitungen (weiße Fah- nen mit rotem „Z“). Eine weiße Fahne trugen außerdem Beutel mit Ortssendungen und Großsendungen. Sie sollten mit einem Zu- satz gekennzeichnet sein, aus dem der vom Bestimmungsort abgeleitete Bearbeitungs- zeitpunkt hervorging, etwa „hinter Kassel“ oder „hinter Würzburg“. Streckenbeutel mit Drucksachen wiederum hatten blaue Fah- nen und standen zuletzt zur Bearbeitung an. Der Inhalt der zu öffnenden Postbeutel wurde auf den seitlichen Klapptischen des Aussackraumes grob vorsortiert. Ihren ei- gentlichen Destinationen zugeordnet wur- den die Briefsendungen dann im linken Teil für die Verteilung der angenommenen Bunde im Wagen sowie das Schließen der Beutel vor dem Abstoßen. Unterstützung erhielt er bei starkem Postaufkommen von einem zum Verwerf-Hilfsdienst (Vh) eingeteilten Beamten. Für die Sortierung der ausgesackten Briefbun- de waren Briefverteiler (B) sowie Langbriefver- teiler (L) zuständig – bei den Langbriefen handelte es sich um die längeren Briefformate. Die bestimmungsgemäße Bearbeitung von Paketen und Päckchen übernahmen Paketver- teiler (P). Der Kursdienstbeamte (K) schließlich sorgte für die schnelle und reibungslose Übernahme, Stapelung und den Austausch der Briefbeutel und Pakete am Start- und Ziel- bahnhof sowie an den Zwischenbahnhöfen.
legtem Plan entweder über die Doppeltür oder über die schmale Tür zwischen Aus- sack- und Briefraum) zunächst in den links neben der Doppeltür gelegenen Aussack- raum (3). „Durchlaufende“ Beutel, das heißt Beutel, die für den Zielbahnhof bestimmt waren und im Bahnpostwagen nicht bear- beitet wurden, waren besonders gekenn- zeichnet. Sie verstaute man entweder unter den Klapptischen des Aussackraumes oder über dem Packgestänge. Die im Bahnpost- wagen zu bearbeitenden Postbeutel dage- gen wurden bei ihrer Übernahme so gela- gert, wie sie der Reihenfolge nach in der Aussackstelle zu öffnen waren. Das einlie- fernde Postamt hatte sie bereits durch ent- sprechende Fahnenfarben gekennzeichnet. So trugen die „Anfangsbeutel“ braune Fahnen und enthielten Sendungen und „Streckenbunde“ (gebündelt zusammenge- fasste Postsendungen) für nahe gelegene Be- stimmungsbahnhöfe. Diese Beutel mussten mit Priorität auf den Aussacktischen behan- delt werden. Ebenfalls braune Fahnen trugen die Streckenbundbeutel, in denen die Post Bei längeren Kursen und größerem Postauf- kommen war der Einsatz von zehn Bahnpost- beamten oder mehr keine Seltenheit. Die Aufgaben wie auch die Hierarchien hatte die Bundespost dabei klar geregelt. Die Oberauf- sicht lag beim Dienstleiter (D), der stets den Überblick über das Arbeitsaufkommen und die -verteilung behalten musste. Ihm unterstanden alle anderen Bahnpostbeamten im Wagen. Dies waren ein Wertbeamter, der den Ein- und Abgang von Wertsendungen überwachte, diese bearbeitete und in den mitgeführten Unterla- gen nachwies. Ihm zugeordnet war der Zeuge (Z), der ihm zur Hand ging, um den Inhalt festzustellen und die Postsendungen anzuneh- men bzw. abzugeben. Der Verwerfer (V) sorgte
In Kürze Die „Postwagen-Belegschaft“
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BAHN EXTRA 4/2022
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