Gegensätze im örtlichen Schienenwesen: Nach 1945 ist die Strecke nach Halberstadt eine Strecke in eine andere Besatzungszone und wird unterbro- chen; 1976 liegt das Gleis brach (l.). Nach der Öffnung der DDR-Westgrenze 1989 wird die Verbindung Vienenburg – Halberstadt mit neuer Streckenfüh- rung wiederhergestellt. Auf diesem Weg hat anno 2010 ein 612 von DB Regio den Bahnhof Vienenburg erreicht (r.) Wolf-Dietmar Loos (l.), Josef Högemann (r.)
und konzentrierte den gesamten Reisezug- verkehr auf den noch heute genutzten nord- westlichen Bahnhofsteil auf der gegen- überliegenden Seite des Empfangsgebäudes. Einige Jahre später wurde der südöstliche Bahnhofsbereich vollständig aufgelassen. Ein Teil der Gleise blieb liegen; er dient in- zwischen als Schaubereich des erwähnten Vienenburger Eisenbahnmuseums, ist aber vom Streckengleis getrennt. Der Niedergang traf auch den früheren Rangierbahnhof, der einstmals für eine Be- handlung von täglich bis zu 1.000 Güterwa- gen ausgelegt war. Schrittweise wurden Ne- bengleise zurückgebaut und die verbliebenen Gleise zum Abstellen vorübergehend nicht benötigter Güterwagen genutzt. 1989 folgte die Umstellung der mechanischen Siche- rungstechnik auf ein modernes Spurplan- Die DB gab 1967 die südöstliche Gleisseite auf. Züge fahren seither nur noch auf der Nordwestseite stellwerk. Es ersetzte sechs Altanlagen, von denen allein das unter Denkmalschutz stehende frühere Fahrdienstleiterstellwerk „Vof“ geblieben ist. Es steht inzwischen un- genutzt auf dem Gelände einer Spedition. Im Reisezugangebot band die DBVienen- burg mit regionalen und überregionalen Eil- zügen an. Im Winter 1958/59 hielten dort unter anderem die „Heckeneilzüge“ Goslar – Flensburg und Aachen – Braunschweig. In späteren Jahren baute die DB das Angebot aus. Im Sommer 1985 gab es mehrere regio- nale Eilzüge (bzw. zu D-Zügen aufgewertete Eilzüge) sowie im überregionalen Verkehr den D 778/779 Frankfurt (M) – Braunschweig. Die Grenzöffnung 1989 Das Jahr 1989 brachte für den Bahnhof Vienenburg dann einen unerwarteten, fundamentalen Wandel. Die Öffnung der DDR-Grenze im Herbst brachteVienenburg wieder in die Mitte des Landes und legte den Grundstein dafür, die Verbindung nach Osten neu zu knüpfen. Etwas weiter südlich der vormaligen Strecke nahm die 1994 an die Stelle von DB und DR getretene DB AG
1996 eine neue Strecke Vienenburg – Ilsen- burg – Wernigerode (– Halberstadt) in Be- trieb. Über die Strecke wurde sogar ein In- terregio-Zugpaar Aachen – Leipzig geführt. Die Neuerung betraf freilich einen Bahn- hof mit reduzierten Kapazitäten. Von den einst umfangreichen Gleisanlagen waren in den letzten Bundesbahn-Jahren nur drei Durchgangsgleise an drei Bahnsteigen ver- blieben, wobei der Seitenbahnsteig und der Mittelbahnsteig über eine Brücke auf der südlichen Bahnhofsseite zu erreichen sind. Das äußere Bahnsteiggleis hat die DB in den 1980er-Jahren zurückgebaut. Mit Inbe- triebnahme der Strecke Richtung Ilsenburg/ Wernigerode musste es neu verlegt werden. Im Jahr 2016 wurde im Bereich der Gleise 1 und 2 eine so genannte Beifahranlage in Betrieb genommen, die es möglich macht, einen Flügelzugbetrieb einzurichten. Ge- nutzt werden sie für die Züge der Regional- bahnlinien 42 und 43, die zwischen Braun- schweig und Vienenburg als gemeinsamer Zugverband verkehren. In Vienenburg er- folgt die Trennung bzw. Zusammenführung der Zugteile nach/von Bad Harzburg (als RB 42) und nach/von Goslar (RB 43). Wäh- rend diese Züge die Gleise 1 und 2 belegen, ist Gleis 3 für den Güterverkehr und Son- dereinsätze vorgesehen. Im Reisezugverkehr sieht man in Vienen- burg heute ausschließlich Triebwagen der erixx GmbH und der Abellio Rail Mittel- deutschland. DB Regio hat aktuell dort keine Leistungen. Im Güterverkehr gibt es regel- mäßige Einsätze im DB Cargo-Übergabever- kehr Braunschweig – Oker – Langelsheim, die Verkehrsbetriebe Peine Salzgitter fahren innerbetriebliche Transporte zwischen den Werksteilen Salzgitter und Ilsenburg. Dazu kommen häufige Sonderleistungen diverser Eisenbahnverkehrsunternehmen. Inzwischen hat auch das Spurplanstell- werk „Vf“ von 1989 ausgedient. Die verblie- benen Signale und Weichen steuert man seit 2023 von einem digitalen Stellwerk in Göt- tingen aus. Und doch: Wer den Bahnhof be- sucht – er scheint den Quellen nach tatsäch- lich der älteste erhaltene in Deutschland zu sein –, erlebt immer noch einiges an Betrieb und eine Station in gutem Zustand.
burg hatte ihre Kapazitätsgrenze nahezu erreicht, sodass zunehmend Ferngüterzüge über Goslar – Oker verlegt werden mussten. Auch der regionale Güterverkehr um Lang- elsheim, Goslar, Oker,Vienenburg und Hal- berstadt war sehr lebhaft. Die Grenzziehung 1945 Mit der deutschenTeilung nach dem Zweiten Weltkrieg lag Vienenburg plötzlich nah an der Grenze zur sowjetischen Besatzungszo- ne und dann zur innerdeutschen Grenze. Die Strecke Langelsheim – Vienenburg verlor praktisch über Nacht fast den gesamten Ferngüterverkehr und damit der Güterbahn- hof in Vienenburg seine Bedeutung. Spätes- tens Anfang Juli 1945 wurde die in Richtung Halberstadt führende Strecke wenige Kilo- meter östlich von Vienenburg auf sowjeti- scher Seite unterbrochen, der Weg nach Os- ten dauerhaft versperrt. Die infolgedessen weitgehend bedeutungslos gewordene Stre- cke nach Grauhof blieb für den Nahgüter- verkehr zunächst in Betrieb, wurde aber nur von wenigen Zügen am Tag befahren. Ihre Stilllegung folgte vermutlich am 1. Septem- ber 1949, während der Abschnitt Grauhof – Langelsheim noch bis 1956 (andere Quellen nennen 1958) befahren werden konnte. Ab 1949 führte die Deutsche Bundes- bahn den Betrieb. Ab Ende der 1950er-Jahre sah sie sich der wachsenden Konkurrenz des Individualverkehrs gegenüber. Rück- läufige Fahrgastzahlen und sinkende Frachtmengen waren die Folge. Noch blieb das Eisenbahnnetz im Nordharzgebiet von größeren Rückbaumaßnahmen verschont, aber ab der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre sollte sich das ändern. Nun begann die DB in großem Stil mit der Anpassung der Bahn- anlagen an den gesunkenen Bedarf. Auf der Strecke zwischen Kreiensen und Vienenburg betraf dies den Abschnitt Oker – Vienenburg, der nach einer weitgehenden Verlagerung des Reiseverkehrs über Bad Harzburg Mitte der 1980er-Jahre sein zwei- tes Gleis verlor. Drastisch reduziert wurden die Anlagen auch in einer Reihe von Bahn- höfen, darunter Vienenburg. Dort gab die Bundesbahn 1967 die südöstliche Seite des Inselbahnhofs für den Personenverkehr auf
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BAHN EXTRA 5/2025
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