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Geräumig und komfortabel: Die Kühlleitung zwischen den Sitzen stellen die einzige Unterbrechung des ansons-
ten komplett flachen Bodens im 512 dar.
Der 365er (oben links) wirkt eleganter als der BBi mit seinem 80er-Jahre-Tuninglenkrad (rechts). Untere Reihe: Tiefe, fast liegende Sitzposition hinter dem Lenkrad.
geführten Schalthebel ist eine Freude. Dieses frühe Auto, das am stärksten eingefahrene der Gruppe mit 66.000 km auf dem Tacho, hat die beste Schaltung: leicht, aber immer noch mit herrlich mechanischem Klacken. Getriebege- räusche sind bei niedrigen Drehzahlen aus- geprägt, aber wenn man sich den 4000 U/ min nähert, wo der 12-Zylinder sein maxi- males Drehmoment zu bieten beginnt, wird der Motor lauter. Mit einigen Drehmoment- löchern im unteren Bereich fühlt sich der 365 aus dem Stand nicht besonders willig an, aber seine Kraft, einmal auf Touren gebracht, ist unbestreitbar und sorgt für wilde und linea- re Beschleunigung weit über die gesetzlichen Grenzen hinaus. Derweil beschert das furcht- einflößende Gurgeln seiner vier Dreifach-We- ber-Vergaser dem Klang dieses Flat-12 noch eine ganz besondere Note, beeindruckend im Leerlauf und unverschämt bei Vollgas. Evolution: 512 BB und 512 BBi Mitte der 1970er Jahre war Ferrari gezwun- gen, den Hub des Motors zu verlängern, um die Emissionsvorschriften ohne Leistungsein- bußen zu erfüllen. Zusammen mit einer Reihe weiterer Verbesserungen führte dies dazu, dass Ferrari das neue Auto als 512 BB bezeichnete – 5-Liter, 12-Zylinder, Berlinetta Boxer – und sich von der traditionellen Hubraumbezeich- nung entfernte. Ein neuer Frontspoiler und NACA-Kanäle vor den Hinterrädern behoben die beiden Kritikpunkte am 365er-Erlebnis: Frontachsauftrieb und Bremsfading. Es ist jedoch die leichtere Kupplung, die man zuerst im 512 bemerkt: Ferrari verbaute eine Doppelplattenkupplung, um den Pedaldruck von herkulisch auf lediglich kräftig zu senken. Immer noch mit Vergaser bestückt, klingt der
Flat-12 weitgehend wie sein Vorgänger, und das Fahrgefühl ist größtenteils ähnlich. Größe- re Pedale machen den Fußraum etwas enger, aber es bleibt ein Auto, das sich hervorragend für Autobahnfahrten und hohe G-Kräfte in langgezogenen Kurven eignet. Nur bei niedri- gen Geschwindigkeiten fühlt er sich etwas un- geschickt an. Die Rollneigung, die im 365 recht ausgeprägt war, fühlt sich hier besser kont- rolliert an, aber es ist immer noch ein relativ weich gefedertes Auto, wenn man seine schnit- tige Silhouette berücksichtigt. Trotz des unerbittlichen Kampfes gegen die Emissionsvorschriften in den 1970er und frü- hen 80er Jahren hielt Ferrari die Kraftstoffein- spritzung beim 512 BB so lange wie möglich zurück. So blieb dieser der letzte Vergaser- Ferrari aus Maranello. Ferraris Zögern hat- te gute Gründe, was 1981 deutlich wurde bei der Präsentation des 512 BBi: Die Verwendung einer Einspritzung ging einher mit einem Leis- tungsabfall von 25 PS. Äußere Änderungen am BBi waren minimal: ein überarbeiteter Kühler- grill, neue Räder, die einen Wechsel zu passen- deren Reifengrößen rundum widerspiegelten, sowie ein neu gestaltetes Heck. Der größte ästhetische Unterschied war, dass die untere Wanne nun in der Hauptkarosseriefarbe la- ckiert war: Dieser Kniff lässt das Auto zweifel- los moderner, aber auch wuchtiger wirken. Der Wechsel vom Innenraum eines 1980er 512 BB zu dem eines 1983er 512 BBi macht die Unterschiede zwischen diesen beiden Ge- schwistern offensichtlicher. Die Farbpaletten signalisieren die Veränderung: Die Gold-, Beige- und Brauntöne, Überbleibsel der spä- ten 70er Jahre, weichen dem Yuppie-freund- lichen Hellrot mit rot-schwarzen Ledersitzen. Das Armaturenbrett wurde ebenfalls teilwei-
se neu gestaltet, während das etwas kitschige Aftermarket-Momo-Lenkrad dieses Autos die wachsende Tuner-Kultur der Ära widerspiegelt. Es ist jedoch die namensgebende Kraft- stoffeinspritzung, welche die große Verände- rung im Charakter des 512 BBi ausmacht. Im Gegensatz zu seinen vergaserbeatmeten Vor- gängern springt er sofort an und pendelt sich in einem sauberen Leerlauf ein. Die Leistung ist etwas geringer, aber die Drehmomentlö- cher sind verschwunden, und er ist bei niedri- gen Drehzahlen viel sanfter. Bei einer Spritz- tour auf der Route Napoléon wird man wenig Unterschied bemerken, aber für die nächsten Tage beim Cruisen in Cannes würde man den BBi nehmen. FAZIT Wenn es darum geht, den Sweet Spot unter den drei Generationen des Berlinetta Bo- xers zu identifizieren, hat der Markt sich für den 365 GT4 entschieden. Mit seiner reinen, unverfälschten Karosserie, seiner Seltenheit und seinem drehfreudigen Mo- tor ist er sicherlich die Wahl des Samm- lers. Während der BBi die anderen beiden in puncto Fahrbarkeit schlägt, verlangt es mehr Hingabe, seine Form zu lieben, speziell im Blick auf seinen direkten Nachfolger, den Testarossa. Zumal dieser mit den gleichen Stärken zum gleichen oder geringeren Preis punktet. Der 512 BB scheint die wahre Königswahl zu sein: Er ist merklich raffinierter, mit einem Motor, der zugänglicher ist als der des 365, und dennoch die meisten der guten Eigenschaften des früheren Autos bietet. Er ist der beste Ausdruck der Idee eines 12-Zylinder-Supersportwagens. Konser-
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