Auto Classic

PORTRÄT | Melkus RS 1000 (1969 – 1979)

Für einen Sportwagen eher untypisch sind die zahlreichen Chromteile wie die Tür- und Hau- benscharniere, Türgriffe sowie Talbot-Außen- spiegel. Etwas verwirrend sind für Außen- stehende auch die Schmutzfänger an den hinteren Reifen, auf denen groß der Schrift- zug „Wartburg“ zu lesen ist. Doch das weist nur darauf hin, wo man überall passende Tei- le gesucht hat – was heute bei der Ersatzteil- versorgung durchaus von Vorteil ist. Strömungsgünstiges Design Bedingt durch die damalige Mangelwirt- schaft gibt es kaum identische Autos, da man in Dresden das verbaute, was gerade ver- fügbar war. Aber das macht den Reiz dieser Rennsportlegende mit einem beachtlichen cw-Wert von 0,3 aus. Während der erstge- baute Melkus immer wieder vom Hersteller als Repräsentationsfahrzeug genutzt wurde und somit sein Erscheinungsbild mehrmals dem aktuellen Entwicklungsstand angepasst wurde, präsentiert sich der Zweitgebaute von Michael Bluhm heute weitestgehend im Aus- lieferungs- oder Serienzustand. Letzteres war mit Unterstützung des Dres- dener Herstellers möglich, bei dem der RS 1000 mit der Nummer 2 bereits vor rund 15 Jahren zur Kur war und jüngst wieder eine Auffrischung erhalten hat. Vergleicht man

Dank der Flügeltüren ist ein relativ bequemes Ein- und Aussteigen möglich

kus gesichtet, der immerhin unter der Front- haube ein kleines Staufach zu bieten hat, in das neben Warndreieck und Verbandskasten noch etwas Proviant passt. Doch an längere Touren sowie an das klangvolle Räng-däng- däng des Motors muss man sich bei einem eingetragenen Innen-(Stand-)Geräusch von 93 dB gewöhnen. Gleiches gilt für das stilvolle Ein- und Aus- steigen aus der tiefen Sitzposition des nur 107 Zentimeter hohen Rennsportwagens. Prak- tisch für Boxenstopps ist die Beschriftung der oberhalb des Staufachs untergebrachten Sicherungen im Klartext, sodass man einen elektrischen Defekt schnell zuordnen konnte. Für Wartungsarbeiten gut zugänglich ist auch der Motor, wenn einer die Heckklappen-Ent- riegelung hinter dem Fahrersitz bedient und ein anderer die gesamte Heckkarosse anhebt. Bei ernsthafteren Problemen wurden zu da- maligen Zeiten vier Schrauben gelöst und das komplette Heckteil zur Seite gelegt. Fahrspaß pur Auch die Hinterachse mit Querstabilisator so- wie den Federn ist gut einsehbar. Das Fahr- werk ist dabei so hart eingestellt, dass in sportlich gefahrenen Kurven die Gefahr des Übersteuerns besteht. Starkes Bremsen ist vor Kurven möglich, aber trotz Zweikreisbrems- anlage mit Trommeln nicht mit heutigen Sportwagen zu vergleichen – spätere Modelle wurden mit Scheibenbremsen ausgerüstet. Der Zweitakter (Gemisch 1:50) mit Kasten- profilrahmen des Wartburg 353 benötigt hohe

mehrere Baumuster, wie Ende März auf der Oldtimermesse Techno Classica in Essen, findet man schnell die kleinen Unterschie- de. Das Fotomodell hat z. B. den hinter einem nahezu normalen, abschließbaren Tankdeckel versteckten Einfüllstutzen noch hinter der Beifahrertüre, während jüngere Modelle ihn vorne auf den Kotflügeln bzw. zum Schluss unter der Frontklappe haben. Bei allen identisch ist die Frontscheibe vom Wartburg 353, die über den flacher eingepass- ten Windlauf des Wartburgs hier ihre sportli- che Bestimmung fand. Auch die Lenkung so- wie Temperatur- und Tankanzeige sowie die Schalter für Scheibenwischer und Licht stam- men am spartanisch wirkenden Fahrerplatz aus der DDR-Automobil-Produktion. Genau- so wie der oben auf dem Armaturenbrett montierte Aschenbecher. Mehr Renn- als Ausflugswagen Wer heute mit einem der rund 85 erhaltenen Exemplare über die Rennpisten jagen möch- te, muss lange nach einem Melkus RS 1000 suchen. Schon während der Produktionszeit konnte man in Dresden nicht einfach diesen Sportwagen bestellen. Nur wer den Nachweis ernsthafter rennsportlicher Aktivitäten er- brachte und diese schriftlich anmeldete oder sehr guten Kontakt zu (Sport-)Funktionären hatte, wurde auf die Warteliste gesetzt. Im DDR-Rennsport und im benachbarten Ausland gab es derweil beachtliche Erfolge für den 165 km/h schnellen Flitzer. Verein- zelt wurden sogar prominente Bürger im Mel-

Wartburg steuerte bei diesem Fahrzeug die Türgriffe vom 311/312 bei, später vom 353

Chromsignatur am Einliter-„RennSport- wagen“, abgekürzt RS 1000

Die Fahrgestellnummer war bei frühen Fahrzeugen noch nicht fortlaufend

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