Lernens eingeübt werden. Es kann versucht werden, anderskulturelle Elemente in die eigenen Orientierungssy- steme aufzunehmen oder eigene Werte und Handlungen auf ihre Wirkung in anderskulturellen Umgebungen zu untersuchen. Ist das System des interkulturellen Lernens erprobt, kann es nach der Begegnung auf den Alltag der Teilneh- menden übertragen werden. Menschen, die sich anderen Kulturen angehörig fühlen, werden nun nicht mehr als Bedrohung der eigenen Identität gesehen, sondern „das Fremde" macht neugierig. Andere Auswirkungen interkulturellen Lernens sind beispielsweise eine Steigerung interaktiver Handlungskompetenzen sowie die Unterstützung kommunikativer und sozialer Kompetenzen. Die Rolle der Gruppenleiter*innen beim interkulturellen Lernen Die Aufgabe des Leitungsteams in einer Begegnung besteht darin, das interkulturelle Lernen zu fördern. Ler- nen bedeutet dabei nicht nur in unserem Kontext die Aufgabe von Sicherheit und ein Sich-einlassen-können auf Unbekanntes. Die Gruppenleiter*innen begleiten die Teilnehmenden jeden Alters durch unterschiedliche Phasen des interkulturellen Lernens, die auch einen Schockmoment beinhalten. Dieser Kulturschock bedeutet, dass das Fremde so außergewöhnlich ist, so entfernt von eigenen versichernden Bezugssystemen, dass Neu- gier keinen Raum mehr hat und der Fremdkontakt unmöglich wird. Angst und Ablehnung werden in diesem Moment zu entscheidenden Faktoren. Der interkulturelle Schock erfolgt in jeder Begegnung und bei jeder Person unterschiedlich stark und ergibt sich sichtbar häufig aus den wahrgenommenen Unterschieden des Alltags: Wie oft gibt es Frustrationen we- gen des Essens oder der Art des Schlafplatzes, der Idee von Sauberkeit oder dem Verständnis von Zeit? Aber vor allem der Vergleich von Einstellungen kann verunsichern: Unterschiedliche Auffassungen zu Themen wie Homosexualität, Religion, politischer Ansicht, der Interpretation von Geschichte und der daraus resultierenden Verantwortung oder dem Konzept von Partizipation – in der kurzzeitpädagogischen interkulturellen Situation sind wir mit unterschiedlichen Wertevorstellungen konfrontiert, mit denen wir eventuell in unserem gewöhn- lichen Sozialraum kaum in Kontakt kommen. Das interkulturelle Team wird in diesem Moment Sicherheiten geben, erklären und die Ambiguitätstoleranz der Teilnehmenden unterstützen. Für sie ist es wichtig zu lernen, nicht immer alles verstehen zu müssen und Unsicherheiten aushalten zu können. Sie haben die Möglichkeit zu lernen sich auf fremde Situationen einzu- lassen, um neue Eindrücke zu erfahren. Die außergewöhnliche Begegnungssituation erlaubt eine Gleichwertig- keit des Lernprozesses: Ich verstehe wenig – meinem Gegenüber geht es genauso. Um interkulturelles Lernen zu ermöglichen, muss das Team eine sichere und auf Respekt und Vertrauen basierende Lernumgebung schaf- fen. Pädagogisches Ziel ist es, den Schock bei den Anwesenden zu erkennen und sie dabei zu unterstützen, die- sen zu überwinden. Denn danach kann eine spannende Phase beginnen, in der die Individuen neugierig werden und voneinander lernen. Interkulturelles Lernen beinhaltet vielschichtige Lernprozesse: Durch den Spiegel des Anderen werden wir uns des eigenen Ichs und unserer Lebenssituation bewusster, Interaktionsfähigkeiten und soziale Kompetenz werden geschult. Es ist wichtig, den Teilnehmenden diese oft unbewussten Prozesse zu vergegenwärtigen – regelmäßige Aus- wertungsmomente während der gesamten Begegnungsphase helfen dabei. Das Team sollte geschult sein, diese interkulturelle Lernprozessbegleitung bewusst und professionell durchzuführen. 4 Interkulturelle Pädagogik ist keine Urlaubsbegleitung!
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