01-2015 D

gibt in west

Reisen ausserhalb von Westeuropa oder Nordamerika und intensive Begegnungen mit dort lebenden Menschen sind mir jedes Mal ein Augenöffner. In Afrika etwa wurde mir zum ersten Mal bewusst, wie sehr sich meine Vorstellung von der Welt, mir selbst und meinem Mitmenschen von derjenigen der dort lebenden Menschen unterscheidet. Auch erkannte ich, wie vieles, was ich für„christ- lich“ halte, mehr mit meiner kulturellen Prägung als mit biblischen Glaubenswerten zu tun hat. Diese Erfahrung führte zu einer kritischen Aus- einandersetzung mit den Wurzeln meines Den- kens, meiner Überzeugungen undWerte. Schon bald realisierte ich, dass das Weltbild von afrika- nischen, asiatischen und lateinamerikanischen Menschen in vielerlei Hinsicht demjenigen von Menschen in biblischer Zeit näher kommt als mein westliches, von der Postmoderne gepräg- Für uns westlich geprägteMenschen zählt nichts so sehr wie unsere Eigenständigkeit und Indi- vidualität. „Es muss für mich stimmen!“, gehört zum Standardrepertoire unserer Sprache und unseres Denkens. Solange es „für mich stimmt“, ist die Welt in Ordnung. Wie es dabei den ande- ren geht, ist sekundär, beziehungsweise deren eigene Verantwortung. Bei Menschen aus nicht westlichen Ländern ist es genau umgekehrt: Was für die Gruppe (Fami- lie, Clan, Volk) gilt und stimmt, das ist auch für mich, den Einzelnen, das Entscheidende. Dieses Denken prägte auch die Menschen zur Zeit der Bibel. Was ich vom Leben erwarte Im Westen verstehen wir unser Leben als eine Art Wettbewerb im Einzelkampf. Gut ist, wenn ich mich auf mich selbst und meine Stärken ver- lassen kann. Die Ziele, für die ich mich einsetze, heissen: persönliches Glück, Unabhängigkeit, Zufriedenheit, Selbstverwirklichung, Erfolg und Anerkennung. Für Menschen aus nichtwestlichen Kulturen ist das Leben ein Teamsport mit fest verteilten Rol- len. Das Ziel, für das sich der Einzelne einsetzt, heisst: Erfolg undWohlbefinden für meine Fami- lie und Volksgruppe und Vermeidung von allem, was Schande über sie bringt. tes Denken 1 . Drei Beispiele dafür: Wie ich das Leben verstehe

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