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WAS FÜR EINE BRILLE TRÄGST DU? Über die Perspektiv en zweier Rückkehrerinnen

Ich dachte anfangs, dass es nur unsere westliche Sicht gibt, die Bibel zu lesen. In Guinea, wo ich im Einsatz war, wurde mir bewusst, dass ich eine Schweizer Brille trage, durch die ich vieles sehe. In Guinea steht das Thema Beziehung im Mittelpunkt. Das ist ein Punkt, den ich in mei- nem Einsatz gelernt habe. Wenn die Beziehung zu Gott wankt oder die Ehre durch etwas verletzt scheint, muss man alles Mögliche tun, um dies(e) wiederherzustellen. Je- sus ist gekommen, um Ehre und Beziehung wiederherzustel- len – das ist von entscheidender Wichtigkeit für Christinnen und Christen in Guinea.

In meiner Zeit als Lernhelferin in Guinea wur- de meine Welt um eine neue ergänzt. Über Neujahr durfte ich an einem Jugendlager teilnehmen. Dieses Lager wurde von Gui- neer/innen organisiert. Somit konnte ich ein- mal komplett in die guineische Kultur eintau- chen. Dabei lernte ich, dass es für Guineer/innen ganz normal ist, in einem Lager Wäsche zu waschen, dass Reis zu einer «richtigen» Mahlzeit unbedingt dazu- gehört und dass nur mit warmem Wasser geduscht wird. Man sollte entweder talentiert sein im Tanzen, Theater- spielen oder Singen. Und eine wichtige Regel gilt es zu beachten: morgens nach dem Aufstehen wird zuerst der Hof geputzt. Am meisten Schwierigkeiten hatte ich damit, zu verstehen, wann etwas erwartet wird. So kam es (für mich unerwartet) dazu, dass meine Gruppe am Abend, an dem alle ihre Choreografien vorzeigten, etwas impro- visieren musste. In diesem Lager ging es darum, junge Menschen in ihrem Glauben zu stärken. Ich fand es sehr ermutigend, Perso- nen kennenzulernen, bei denen der Glaube offensichtlich eine wichtige Rolle spielt. Mitgenommen aus diesem La- ger und auch aus weiteren Erlebnissen, insbesondere mit Jugendlichen in Guinea, habe ich, dass der gemeinsame Glaube an Jesus Christus auch dann verbindet, wenn man aus unterschiedlichen kulturellen Hintergründen stammt und unterschiedliche Perspektiven mitbringt.

Ausserdem ist mir bewusst geworden, wie wichtig es ist, die Herzenssprache der Personen zu sprechen, die man erreichen möchte. Mein Pular* (die lokale Sprache an meinem Einsatz- ort) ist jedoch nicht besonders gut. Folgendes Beispiel ver- deutlicht, was ich meine: Bei meinem Einsatz im Kindergarten erzählten wir den Kin- dern jede Woche eine biblische Geschichte. Dazu kam extra ein Einheimischer in den Kindergarten, der die Geschich- te in die lokale Sprache übersetzte. Ich weiss nicht, wie viel Inhalt dieser Geschichten bei den Kindern hängengeblieben ist, aber bestimmt hat es sie tiefer erreicht, als wenn wir sie auf Französisch erzählt hätten, was sie kaum verstehen. Die Kinder fragten mich immer schon Tage vorher, ob heute der Tag sei, an dem der «Monsieur Bah» wieder kommt und eine Geschichte erzählt. Sie hatten grosse Vorfreude. Heute bin ich zurück in der Schweiz, habe eine Wohngemein- schaft gefunden und lebe in der Bodensee-Region. Doch so schön es hier auch ist, vermisse ich doch Guinea und vor al- lem die Menschen dort, die ein grosses Herz haben und für einfache und kleine Dinge dankbar sind.

Nathanja H. ehem. Midi-Einsatzleistende bei ActionVIVRE Süd, Guinea

Salome E. ehem. Mini-Einsatzleistende bei ProESPOIR, Guinea

*Das Pular wird mehrheitlich in Mittelguinea vom Volk der Peul gesprochen, das 1/3 der Bevölkerung ausmacht.

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