Militär & Geschichte

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er erinnert sich noch an „Lili Marleen“? Das ist die Dame, die „vor der Kaserne,

vor dem großen Tor“ auf ihren Liebs- tenwartet.Die beiden stehen stellver- tretend für Millionen Soldaten mit ihren „Lili Marleens“ und spenden im Zweiten Weltkrieg unzähligen ein- samen Kämpfern Trost an der Front. Das Lied, gesungen von Lale Ander- sen, hat eine so überwältigende Wir- kung, dass es sogar vom Feind geliebt wird und international zum klassi- schen Soldatenlied avanciert. Jeden Abend spielt es der deutsche Solda- tensender Belgrad und macht es so in der halben Welt bekannt. Für die Wehrmacht allerdings lässt Joseph Goebbels, Reichsminister für Propa- ganda und Volksaufklärung, das Lied im April 1942 verbieten, als Lale An- dersensKontaktezuSchweizerJuden auffliegen. Die Stimmung hochhalten MusikundKunst,Reisenwährendder Genesung, Bücher und Frontzeitun- gen, sogar eigene Bordelle als Trost für den harten Soldatenalltag gibt es in vielen Armeen. Auch in der Wehr- macht ist die psychologische Bedeu- tung des schönen Scheins durch die schönen Künste nicht zu unterschät- zen.Als die alliierten Bombenangriffe auf deutsche Großstädte intensiver werden, fordert Hitler den möglichst sofortigenWiederaufbauvonTheater- und Opernhäusern, „gerade weil die Stimmung in der Bevölkerung hoch- gehalten werden muss“. Das gilt erst recht für die Frontsoldaten. Schon früh beginnt das Hitler-Re- gime mit der Einbindung der Deut- schen in groß angelegte Freizeit- und Urlaubsprojektewiedernationalso- zialistischen Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ (KdF, siehe Kasten Seite 75). Während dann der Krieg tobt, lässt die KdF-Reichsleitung die Katze endlich aus dem Sack. 1942 erklärt sie ganz offiziell, dass die NS-Gemeinschaft „kein Wohl- tätigkeitsverein“ sei. Die Volksge- nossen sollten zuvor nicht „durch Vergnügungen von der Politik ab- gelenkt, sondern zum Verstehen und Miterleben der großen politi- schen Aufgaben hingeführt“ wer- den. Aha! Deshalb sind auch bei den KdF-Urlaubsveranstaltungen SA- oder SS-Begleiter dabei und

Frontbühne: Deutsche Soldaten bei einer Aufführung in Südrussland Mitte 1943. Wie die NS-Propaganda zu diesem Foto betont, gelang es den angereisten Künstlern, ihrem „dankbaren Besucher- kreis“ einige „frohe Stunden“ zu bereiten

Lale Andersen: Mit ihrem Lied „Lili Marleen“ rührt sie die Herzen von Millionen Soldaten

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