Militär & Geschichte

Halbwegs aktuell: Feldzeitungen informieren über das Leben in der Heimat, bringen aber auch Propagandaberichte zum Kriegsgeschehen

Lesestoff: Bücherwagen und Bibliotheken militärischer Einheiten halten eine erstaunliche Fülle an Titeln bereit

Es ist auf Anregung von Joseph Goeb- bels entstanden. Der britische Histo- riker Patrick Bade resümiert: „Wir haben es mit einer rätselhaften Situa- tion zu tun, dem Nebeneinander von Kunst undVerbrechen.“ Auftrag: besser werden! DasAmt Rosenberg,eine Dienststelle für Kultur- und Überwachungspolitik des obersten NS-Ideologen Alfred Ro- senberg, lässt verbreiten: „Nach dem

harmonika“ oder durch die eigene Kompaniekapelle.DerdeutscheRund- funk sendet den Männern Wunsch- konzerte, selbstverständlich verbrei- ten die Soldatensender auch regel- mäßigPropagandamärchen.Titelwie „Heimat, deine Sterne. Der Soldaten- senderOslo“oder„GanzDeutschland hört den Führer“ sprechen für sich. Die Feldpost wiederum bringt Bücher an die Front,und die Einheiten stellen regelrechte Bibliotheken zusammen. SelbstnochindieabgelegenstenTrup- penteile sendet die KdF-Gemein- schaft ihre Künstler,organisiert Front- theater und Filmabende. Das Allensteiner Landestheater Südostpreußen zum Beispiel errich- tet extra Zweigbühnen, auch für Auf- führungen im Zwangsghetto von Bia- lystok. Das Berliner Nachtkabarett in der Behrenstraße gibt bis Ende 1943 Vorstellungen für über 250.000 „Ur- lauber“ aus allen Waffengattungen.

Kulturgut aus Vergangenheit und Ge- genwartvertrautgemachtwird,dadie Verteidigung der deutschen Kultur einederwesentlichstenAufgabendie- ses Krieges darstellt.“ Zwischen Murren und Gelächter Die Truppenbetreuung wird allge- mein sehr gern angenommen, ihr Besuch ist aber freiwillig. In der Tat akzeptieren die Vorgesetzten sogar, wenn das Publikum dabei mal murrt

Theater in Paris: Dieses Foto wird 1943 zum zehn- jährigen Jubiläum der KdF veröffent- licht, die es sich „zum Ziel gesetzt hat, unseren schwer kämpfen- den Soldaten so viel Freude und Entspannung als nur möglich zu bringen“ (Text der (NS-Propaganda)

Mit den Mitteln der leichten Muse will der NS-Staat seine Soldaten bei Laune halten.

und seinen Unmut äußert. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn der durchschnittliche Soldat bevorzugt (und erhält) künstlerisch „leichte Kost“. Bei „heldenhaften Kampfsze-

Grundsatz, dass für die Soldaten das Beste gerade gut genug ist, sollen die- se Truppenbetreuungsaufführungen immer besser werden […]. Gerade da- rin liegt die besondere Bedeutung […],

dass die deutsche Wehrmacht mit dem

Kraft durch Freude HINTERGRUND

Einer der Ursprünge für die nationalsozialistische Truppenbetreuung findet sich in der Ende 1933 ins Leben gerufenen Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF) – einer Unterabteilung der Deutschen Arbeitsfront, der Zwangsvereinigung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in einem Verband zur besseren Kontrolle durch den NS-Staat. Ausflüge, Konzerte, Sportkurse und Urlaubsfahr- ten (z. B. mit dem Kabinen-Fahrgastschiff Wilhelm Gustloff ) bis ans Nordkap oder zum Mittelmeer werden zu äußerst günstigen Bedingungen angeboten und bis Kriegsbeginn von 40 Millionen Teilnehmern wahrgenommen. Eine unübersehbare Hinterlassenschaft der Organisation ist das ehemalige „KdF-Seebad Rügen“ – acht gewaltige, baugleiche Häuserblöcke, die sich viereinhalb Kilometer die Ostseeküste entlangstrecken. Das heute als „Prora“ bekannte Bad ist für 40.000 Besucher gleichzeitig aus- gelegt, wird aber niemals ganz fertiggestellt.

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