Clausewitz

Yamashita, der „Deutsche“

Yamashitas Hoffnung, Singapur bis zum ja- panischen Nationalfeiertag am 11. Februar einzunehmen, erfüllt sich aber nicht. Das ers- te Kapitulationsangebot bleibt unbeantwor- tet. Stattdessen werden die Kämpfe um die Insel immer intensiver, britische und austra- lische Einheiten starten einen letzten Gegen- angriff. Gleichzeitig machen sich aufseiten der japanischen Frontsoldaten Kriegsmüdig- keit, vor allem aber Probleme im Munitions- nachschub bemerkbar. MG-Schützen der 5. Division beklagen sich etwa darüber, dass ih- nen nur noch wenige Schachteln an Munition zur Verfügung stünden und sie nur noch für Minuten das Feuer aufrechterhalten könnten. Völlig verkalkuliert Zudem trifft bei Oberbefehlshaber Yamashi- ta die Nachricht ein, dass ihm die für die Schlacht um Singapur zugesagte Luftunter- stützung deutlich reduziert werde. Vor Yamashitas geistigem Auge zeichnen sich be- reits Bilder eines sehr blutigen, verlustrei- chen und Truppen aufreibenden Häuser- kampfes ab. Zur großen Überraschung des Generalstabs der 25. Armee und Yamashitas zeigen sich Percival und die Alliierten, die bis zum 13. Februar 1942 circa 4.300 Gefallene zu verzeichnen haben, kapitulationsbereit. Auch als die japanischen und alliierten Delegationen in den Räumlichkeiten der Ford-Motorenwerke über die Kapitulation verhandeln, drängt Yamashita vor allem auf eines: Schnelligkeit. Immer wieder ruft Ya- SIEGER UND VERLIERER: Die bedingungslose Kapitulation der Briten findet am 15. Februar 1942 statt – es ist die schlimmste Niederlage der britischen Streitkräfte. Das Foto zeigt Yamashita und Percival bei einem offiziellen Gespräch an diesem schicksalhaften Tag Abb.: picture alliance/TopFoto

weniger als 70 Tagen die malaiische Halbin- sel und die britische Festung Singapur er- obert. Mit einer rund 60.000 Mann (davon 42.000 Soldaten an Kampftruppen) umfas- senden Armee ist es Yamashita gelungen, ei-

mashita, darum bemüht, Dominanz und Stärke auszustrahlen, Percival und dessen Delegation über den Verhandlungstisch die Frage „Ja oder nein? Ja oder nein?“ zu. Er sorgt sich darum, dass die britische Seite von

nen rund 100.000 Mann starken und damit nume- risch deutlich überlegenen Gegner mittels eines mili- tärstrategischen Coups in die Knie zu zwingen. Im ge- samten Feldzug haben die drei japanischen Divisionen insgesamt 5.240 Tote und über 9.500 Verletzte zu be- klagen. Rund ein Drittel der Verluste werden in der

„Der Fall von Singapur ist die schlimmste Katastrophe und größte Kapitulation in der britischen Geschichte.“ Winston Churchill über die Eroberung Singapurs und die Gefangennahme von Tausenden britischen, indischen und australischen Soldaten durch eine viel kleinere japanische Streitmacht im Februar 1942

Schlacht um Singapur, vor allem während der Truppenanlandung, erlitten. 95.000 Alli- ierte – 50.000 australische und englische Kombattanten und Nicht-Kombattanten so- wie 45.000 indische Soldaten – wandern in japanische Kriegsgefangenschaft. Unter ihnen ist auch der britische Befehls- haber Percival. Seine Pläne zur Verteidigung Singapurs basierten fatalerweise auf der An- nahme, dass Singapur keine Gefahr aus nördlicher Richtung drohen könne – galt die Malaiische Halbinsel aufgrund ihrer geogra- fischen Beschaffenheit, dem dichten Dschun- gel und durchzogen mit gebirgigem Terrain als unüberwindbar. Aus diesem Grund sind die meisten Verteidigungsanlagen Singa- purs auch zur Seeseite hin ausgerichtet, was Yamashita die Einnahme Singapurs sicher- lich erleichterte. Der Verlust Singapurs ist für das stolze Vereinigte Königreich eine große militärische Schmach, die das Ende des Britischen Empires einläutet. Dr. Takuma Melber, Jahrgang 1983, ist Historiker an der Universität Heidelberg und Autor des Buches Pearl Harbor. Japans Angriff und der Kriegseintritt der USA (München 2016).

den Problemen und Schwächen der 25. Ar- mee erfahren könnte. Nach Yamashitas mili- tärischem Schachzug geht auch sein Bluff in den Verhandlungen auf: Tatsächlich kapitu- liert die britische Seite. In für nicht möglich geglaubter Ge- schwindigkeit hat Yamashitas 25. Armee in

VORERST SIEGREICH General Tomoyuki Yamashita ist ein her- vorragender Taktiker und verfügt über im Krieg gegen China gestählte Veteranen (die britischen Soldaten sind hingegen schlecht ausgerüstet und ausgebildet). 1946 wird Yamashita von den Alliierten Siegern allerdings gehängt

AUSMANÖVRIERT Lieutenant-General Sir Arthur Percival (1887–1966) hat dem taktisch weit überlegenen Yamashita wenig entgegen- zusetzen. Immerhin hat er – im Gegen- satz zu seinem japanischen Widersacher – noch eine Zukunft nach dem Zweiten Weltkrieg …

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Clausewitz 4/2022

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