Clausewitz

Admiral Canaris ist skeptisch

FINGER AUS LICHT: Britische Suchscheinwerfer suchen 1942 den Himmel über Gibraltar nach deutschen Flugzeugen ab Abb.: picture alliance

hier eher das Wunschdenken Hitlers, denn mit Churchill hätte es wohl auch nach dem Ver- lust Gibraltars keinen Frieden gegeben. Die grundsätzlichen militärischen und strategi- schen Vorteile, die der Besitz des Felsens ein- gebracht hätte, mal außen vor gelassen: Die Überlegungen und Hoffnungen Hitlers gehen viel zu weit. Franco hat hier einen realistische- ren Blick und weiß, dass der Krieg auch bei einem Erfolg von „Felix“ nicht aus ist – dafür aber sein Land mit Sicherheit mitten in einem Konflikt gigantischen Ausmaßes. Und ob die deutsche Invasion Gibraltars überhaupt von Erfolg gekrönt gewesen wäre? Unmöglich zu

sagen. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Die Briten haben ihren Felsen jedenfalls stark aus- gebaut und mit einem Angriff vom spanischen Festland aus zumindest immer gerechnet. Ein letzter Versuch Auch wenn Hitler sein Hauptaugenmerk schon von Westen nach Osten gerichtet hat, so ver- siegen die diplomatischen Kanäle zwischen Madrid und Berlin natürlich nicht. Admiral Wilhelm Canaris, Leiter der Abwehr, wird nach Spanien geschickt, um die weiteren Verhand- lungen mit Franco zu führen. Allerdings ist Canaris jemand, der sich selbst ein Bild vor Ort

macht. Er besucht die Hafenstadt Algeciras, die praktisch direkt neben Gibraltar liegt und kann von dort die Aktivitäten der Briten sozusagen aus nächster Nähe begutachten. Sein Urteil fällt nüchtern aus: Es wäre sehr, sehr schwierig, die Felsenfestung zu knacken. Wenn überhaupt, dann nur mit großem Aufwand und vielen Opfern. Er kommt damit zu einem ähnlichen Schluss wie seine Abwehragenten vorher auch. Allerdings erkennt Canaris zudem sofort, dass Franco im Grunde gar nicht daran interessiert ist, auf deutscher Seite in den Krieg gerissen zu werden. Mehr als den spanischen Freiwilligenver- band „Blaue Division“, der später an der Ost- front kämpft, wird es nicht geben. Außerdem spielt die Zeit gegen „Felix“, denn je näher der Krieg mit Stalin rückt, desto unwahrscheinli- cher wird es, dass genug Männer und Material für eine Mammutaufgabe weit weg im Süd- westen Europas zur Verfügung stehen. Wenn, dann hätte man bereits vor Monaten alles in die Waagschale werfen und mit einer riesigen Streitmacht Gibraltar angreifen müssen. Bei einem Erfolg hätte viel passieren können. Viel- leicht – allerdings ein sehr vages „Vielleicht“ – wäre der Zweite Weltkrieg anders verlaufen. Wir werden es nie wissen.

HINTERGRUND

„Felix 2.0“: Operation „Isabella“

ins Visier nehmen zu können, seine Schiff- fahrtsrouten nach Osten zu stören und Spa- nien vor einer möglichen alliierten Invasion zu schützen. Die Operation soll ausgeführt werden, nach- dem die UdSSR besiegt ist. Da dies aber nie- mals passiert, erleidet auch „Isabella“ das Schicksal seines Vorgängers „Felix“: Es bleibt bei rein theoretischen Planspielen.

Nach dem abgeblasenen Unternehmen „Felix“ lässt Hitler im Mai 1941 abermals einen Plan ausarbeiten, der sich mit der Iberischen Halb- insel beschäftigt: In der Operation „Isabella“ (später in „Ilona“ umbenannt) sollen wichtige Orte in Andorra, Spanien (inklusive Gibraltar), Portugal (inklusive Azoren und Kap Verde) sowie Dakar in Nordafrika eingenommen werden, um von hier aus abermals England

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Clausewitz 5/2025

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