MILITÄRTECHNIK IM DETAIL
D ie beiden mächtigen Schlachtschiffe Richelieu und Bismarck haben einiges gemeinsam: Beide waren nach großen Staatsmännern der Vergangenheit benannt, beide waren Typschiffe und als Vorzeigewaf- fen der Stolz ihrer jeweiligen Marine. Außer- dem hatten sowohl die Richelieu als auch die Bismarck trotz ihrer Qualitäten eine vergleichs- weise geringe Rolle in den Seeschlachten des Zweiten Weltkrieges gespielt – wenn auch aus völlig unterschiedlichen Gründen. Immerhin: Im Gegensatz zu seinem deutschen Äquivalent überlebte das französische Schiff den Krieg. Als die Richelieu am 17. Januar 1939 ihren Stapellauf im Arsenal von Brest hatte, war sie eines der modernsten Kriegsschiffe ihrer Zeit. Ein ungewöhnliches Merkmal war die Konzentration der schweren Artillerie (zwei Vierlingstürme) auf dem Vorderdeck. Die mittlere Artillerie war hingegen achtern in drei Türmen angebracht. Diese Aufteilung verkleinerte die Dimension des Schiffes und damit die Flächen, die stark gepanzert werden mussten – eine Frage des Geldes und schluss- endlich auch des Gewichtes.
IN AMERIKAS OBHUT: Das mächtigste und größte französische Schlachtschiff wird hier auf New Yorks East River in ein Dock geschleppt, wo es repariert und überholt wird – erst danach (Ende 1943) greift die Richelieu auf alliierter Seite aktiv in den Krieg ein Abb.: Archiv Clausewitz
die Richelieu stark – jedenfalls zu stark, als dass das Schiff in den Docks Dakars mehr als nur rudimentär repariert werden konnte. Mit der Operation „Menace“ versuchte die britische Flotte erneut, die Richelieu gewalt- sam aus den Händen der Vichy-treuen Behör- den von Dakar zu entreißen. Die Schlacht um das begehrte Schiff brachte aber kein Ergebnis – dafür 100 tote Zivilisten im von den Briten bombardierten Dakar. Erst als im Jahr 1942 US-Flottenver- bände vor Nordafrika aufkreuzten, willigte der Gouverneur von Dakar, Pierre Boisson, ein, das Schiff zu übergeben. Die Richelieu wurde nach New York gebracht und dort bis zum Oktober 1943 repariert und auf- gerüstet. Dann diente sie im Mittelmeer und – bis zum Ende des Zweiten Welt- krieges – in Gewässern im Fernen Osten.
Als die Wehrmacht Frankreich im Blitzkrieg überrollte, entkam die erst zu 95 Prozent fer- tiggestellte Richelieu nur knapp nach Dakar im Senegal. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht klar, ob das Schlachtschiff nicht doch noch über den Weg des seit dem 10. Juli 1940 existieren- den Vichy-Regimes in die Hände der Deut- schen fallen würde – was in Kombination mit der kurz vor der Fertigstellung stehenden Bismarck eine große Gefahr für die Royal Navy dargestellt hätte. London wollte deshalb auf Nummer sicher gehen und versuchte, die Besatzung der Richelieu erst zum Überlaufen zu bewegen, sie dann mit minimaler Gewalt zu entern, zu sabotieren und schließlich mit einem Torpedo- bomber-Angriff von der HMS Hermes zu zer- stören. Ein abgeworfener Torpedo beschädigte
HEISS BEGEHRT: Hitler, Pétain, de Gaulle und Chur- chill – alle wollten die Richelieu ! Auf dem Foto vom Februar 1943 sind die mächtigen Geschütze, die auf der Vorderseite des Schlachtschiffes konzen- triert waren (im Gegensatz zur Bismarck , wo sich die Hauptgeschütze gleichmäßig auf Heck und Bug verteilten), gut zu sehen. Dem hinteren Turm fehlt allerdings eines der Rohre Abb.: picture alliance
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