Tanga beendet Aitkens Militärkarriere
STECKBRIEF
Aitken beobachtet das bizarre Treiben abermals vom Deck seines Schiffes aus: Die wild mit den Händen fuch- telnden, schreienden und ins rettende Wasser springenden Soldaten müssen einen tragikomischen Anblick abgegeben haben. Hinterher ist man peinlich berührt von der Tatsa- che, dass Bienen eine Armee des mächtigen British Empire in den Ozean treiben können. Aus der Armee geschmissen Aitken jedenfalls ist ob dieses peinlichen Vorfalles so erzürnt, dass er nun doch die Bombardierung Tangas befiehlt. Aber die Kette von Pleiten, Pech und Pannen reißt nicht ab: Eine Granate trifft ausgerechnet das von den eigenen Leuten eroberte und besetzte Krankenhaus, die anderen hageln auf die zurückströmenden indischen Soldaten und Teile des Northlancashire-Regimentes. Insgesamt sterben bei dem miserabel geplanten und noch miserabler durchgeführten Invasionsversuch Aitkens 800 seiner Soldaten. Weitere 500 werden verwundet und über 200 gelten als vermisst. Viele der Verluste sind auf das panische Gewehrfeuer der eigenen Truppen zurückzufüh- ren, andere auf die Schiffsgranaten. Im Grunde haben sich die Briten bei Tanga selbst besiegt, die Deutschen müssen mehr oder weniger nur zusehen. Entsprechend gering sind die Verluste Lettow-Vorbecks: 15 Deutsche und etwa 50 Askaris werden getötet oder verwundet. Außerdem fällt den Deutschen die gesamte Ausrüstung in die Hände, die Aitken völlig planlos an den Strand hat bringen lassen: Waffen, Fahrzeuge, Lebensmittel und Kleidung, mit denen Lettow-Vorbeck neue Truppen ausrüsten kann. Nach einem solch glänzenden Sieg fällt es den Deut- schen leicht, großzügig zu sein: Die zurückgebliebenen verwundeten britischen Soldaten dürfen evakuiert und auf die Schiffe überführt werden. Die britische Regierung versucht (letztendlich vergebens), die peinliche Niederlage zu vertuschen. Heute ist sie als „Schlacht der Bienen“ bekannt und als die Schlacht, in der sich Arthur Aitken sein eigenes Grab geschaufelt hat. 25. Mai 1861: Geburt in Rochford bei London 1880: Nach der Ausbildung im Royal Military College in Sandhurst kommt Aitken zum 29th Worchestershire Regiment 1885: Einsatz im Sudan Ab 1900: Aitken versieht seinen Dienst in Indien 1914: Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges ist Aitken Generalmajor und wird damit beauftragt, mit indischen Truppen die erste größere Invasion Deutsch-Ostaf- rikas durchzuführen (die im November 1914 mit der Schlacht bei Tanga scheitert) 1915: Aitken wird seines Kommandos enthoben und in den Ruhestand versetzt 1920: Aitkens Ruf und Ehre werden größtenteils rehabilitiert 29. März 1924: Aitken stirbt in Rom, wo er sich wegen seines schlechten Gesundheitszustandes aufhält, an einem Herzinfarkt im Alter von 62 Jahren Die wichtigsten Daten zu Arthur Aitken
Soldaten, die Gurkhas und das Northlancashire Regiment, an der Spitze. Diese Entscheidung gehört zu den wenigen guten, die Aitken trifft, denn seine „Elite“ kann die Askaris zunächst vertreiben und einige Gebäude in Tanga beset- zen, darunter das Krankenhaus. Lettow-Vorbecks Bienenarmee Die indischen Einheiten in den Plantagen vor der Stadt müssen allerdings abermals eine krachende Nieder- lage einstecken – in diesem Fall nicht gegen Deutsche oder Askaris, sondern gegen Bienen. Die Tiere, die einer besonders aggressiven Spezies angehören, leben in Bie- nenstöcken, die das Pech haben, sich sozusagen mitten auf dem Schlachtfeld zu befinden. Durch den Lärm auf- geschreckt, schwärmen die Bienen aus und attackieren jeden, dem sie begegnen. Bei Indern und Briten bricht nun Panik aus und sie fliehen zurück zum Meer. Zwar unterscheiden die Tiere nicht zwischen Indern, Briten, Deutschen und Afrikanern, aber die Hauptlast der Bie- nenoffensive bekommen die Angreifer ab. Später mut- maßt die Presse, dass die Bienenstöcke bewusst von Lettow-Vorbeck eingesetzt worden sind, was aber nicht der Fall war. Die Deutschen sehen es als göttliche Inter- vention, dass sich die Bienen (hauptsächlich) auf Ihre Seite geschlagen haben.
KEINE ALLEIN- SCHULD: Aitken hat denkbar schlechte Soldaten unter seinem Kommando – einige spielen wäh- rend der Schlacht lieber Karten oder versuchen in Tanga Einkäufe zu erledi- gen. Aitkens Fehler ist, die Qualität seiner Männer völlig falsch einzuschätzen. Die Abbildung zeigt britische Soldaten in Deutsch-Ostafrika 1915 Abb.: picture alliance
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Clausewitz 5/2025
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