Schiff Classic

STRATEGIE & TAKTIK

1916/17: DER WEG IN DEN „UNEINGESCHRÄNKTEN“ U-BOOT-KRIEG Als Oberleutnant zur See Herbert Pustkuchen im März 1916 mit UB 29 die Passagierfähre Sussex versenkte, ahnte der Kommandant nicht, dass er damit das deutsch-amerikanische Verhältnis schwer belastete – mit katastrophalen Folgen Von Kapitän zur See Dr. Jörg Hillmann Feind in Sicht!

ie ab Ende März 1915 aufgestellte U-Boot-Flottille „Flandern“ war in den Seehäfen Zeebrügge, Brügge und Ostende stationiert. Deren Einsatzgebiete um- fassten den Englischen Kanal sowie die östli- chen und westlichen Zugänge. 16 Boote wa- ren der Flottille zugeordnet, die bis 1917 auf 38 Boote anwuchs und 1917 im Rahmen des Aufwuchses in zwei Flottillen gegliedert war. UB 29 unter Oberleutnant zur See Her- bert Pustkuchen war im Januar 1916 in Zee- brügge stationiert worden. Von dort unter- nahm er zahlreiche Feindfahrten in den Kanal und patrouillierte im östlichen Kanal- zugang. Am 24. März 1916 entdeckte Pust- kuchen die unter französischer Flagge fah- rende Passagierfähre Sussex . Er war fest davon überzeugt, einen Truppentransporter vor sich zu haben, da er an Oberdeck ste- hende Soldaten in großer Anzahl erkannt zu haben glaubte. Kurzentschlossen ließ er einen Torpedo klarmachen und feuerte auf das Schiff, von dem der gesamte Bug wegriss. D

Ansonsten blieb die Fähre aber schwimm- fähig. Pustkuchen drehte ab und überließ sie ihrem Schicksal. An Bord der Sussex befanden sich zur Zeit des Angriffs 325 Passagiere und 53 Be- satzungsangehörige – 750 Passagiere hätten an Bord sein dürfen. Der Kapitän, Auguste François Mouffet, gab den Befehl zum Ver- lassen, aber nicht alle Rettungsboote wurden zu Wasser gelassen. Mindestens zwei zer- schellten an der Bordwand der Sussex .Min- destens 50 Menschen kamen durch den Tor- pedotreffer und bei den Rettungsversuchen ums Leben. Das Schiff wurde anschließend mit dem Heck voraus zur Reparatur nach Boulogne geschleppt. Internationaler Protest Die Torpedierung des zivilen Schiffes löste in Frankreich und Großbritannien heftige Proteste aus. Kritik erreichte Berlin aber vor allem aus den Vereinigten Staaten. 75 US- Amerikaner hatten sich an Bord befunden,

von denen einige schwer verletzt, aber nicht getötet worden waren. US-Präsident Woodrow Wilson nahm den Angriff zum Anlass, den amerikani- schen Kongress zu mobilisieren und ein Ulti- matum gegen das Deutsche Reich zum Be- enden des „verschärften U-Boot-Krieges“ zu erwirken. Am 20. April 1916 überstellten die USA das Ultimatum, das die Deutschen aufforderte, die Versenkung unbewaffneter Schiffe sofort einzustellen. Die USA drohten schlimmstenfalls mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehun- gen, sofern sich das Deutsche Reich nicht fügen würde. Einem Kriegseintritt der Ame- rikaner stand das Kaiserreich mehr als skep-

KLASSE UB II: UB 29, hier das typgleiche UB 28 der Klasse UB II, versenkte 32 Schiffe mit einer Gesamttonnage von 39.378 BRT Foto: picture-alliance/WZ-Bilddienst

TECHNISCHE DATEN Unterseeboot UB 29

Typ

Einhüllen-U-Boot

Klasse Länge

UBII

36,13m

Breite 4,36m Geschwindigkeit 8,9knüberWasser,5,72knunterWasser Tauftiefe max.50m Antrieb

2Dieselmotoren270PS,2Elektromotoren280PS

Verdrängung Bewaffnung

265tüberWasser,291tunterWasser

2Bugtorpedorohre,15-cm-Schnellladekanone 2Offiziere,21UnteroffiziereundMannschaften

Besatzung

Kommandanten

OLtzSHerbertPustkuchen(18.Januar1916bis2.November1916), OLtzSErichPlatsch(3.November1916bis27.November1916)

Verbleib

Vermisstseitdem27.November1916.DasgenaueVersenkungsdatumwurdebishernicht nachgewiesen,dasWrackimJuni1917vorderbelgischenKüsteWestflandernsentdeckt.

24

Made with FlippingBook flipbook maker