Schiff Classic

1,&+70(+5 =85(77(1 Dresden sinkt in der Cumber- land-Bucht nach Gefecht mit britischen Kreuzern Foto: picture-alliance/ WZ-Bilddienst

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ie Sorgen des deutschen Kommandanten wur- den auch nicht weniger. Zwar war es ihm schon zweimal gelungen, deutsche Kohlen- dampfer heranzuziehen, aber Brennstoff für seine Kessel konnte er nie genug haben, wenn

so weitergehen, und so beschloss er, seinen Kreuzer vorerst in der Hewitt Bay der Guardian-Insel zu verstecken. Auch wieder eine Gelegenheit, Feuerholz zu schlagen, die der Chief auch sofort nutzte und Äxte und Sägen ausgeben ließ. Die gebunkerten Briketts würden nicht lange vorhalten, ihr Heizwert war geringer als der gewöhnlich für die Feuerun- gen genutzten Steinkohle. Also wurde jede Menge Holz gebunkert und die auf einem Meter gekürzten Stämme über- all dort gelagert, wo gerade Platz war. Am zweiten Weih- nachtstag ging Lüdecke wieder ankerauf und verlegte in die Christmas Bay, denn zwischen den sonst menschenleeren Inseln Feuerlands trieben sich recht merkwürdige Gestalten herum, die auch mal mit Kuttern in den Buchten herum- schnüffelten. „Von England bezahlte Agenten“, knurrte der betagte deut- sche Seehundjäger Albert Pagels, der viele Jahre hier als Lotse für die Schifffahrt tätig war und das Inselgewirr mit seinen vielen Fjorden und Buchten kannte wie kein anderer. Mit seinem Motorboot Elfriede war er den Deutschen eine wert- volle Hilfe bei der Erkundung verschwiegener Ankerplätze und den britischen Kreuzern immer eine Nasenlänge voraus. Und er hatte ein ausgeprägtes Gespür. Seine Schuld war es nicht, wenn wieder ein chilenisches Torpedoboot aufge- taucht war und den deutschen Kommandanten höflich, aber bestimmt darauf hingewiesen hatte, dass er hier auf neu- tralem Gebiet nur begrenzte Zeit liegen dürfe. So ging die Dresden mal wieder ankerauf und folgte Pagels Elfriede zum neuen Versteck in der Christmas Bay. Aber auch der britische Geheimdienst hatte die Zusam- menarbeit Pagels mit den Deutschen spitzgekriegt und ihm eine hohe Summe geboten, wenn er das sein ließe. Was der patriotisch denkende Pagels entrüstet abgelehnt hatte. Worauf die Geheimdienstler den Spieß umdrehten und Pagels als Kriegsspion den Henker Seiner Majestät in Aus- sicht stellten; was den in Ehren ergrauten Lotsen aber nur noch störrischer machte. Der ließ überhaupt nicht mehr mit sich reden und sah den Zweck seines Daseins nur noch in der tatkräftigen Unterstützung seiner Landsleute von der Dresden . Des Nachts schlief er nur noch mit einem geladenen Gewehr längsseits. Die Drohung mit dem Henker war nur allzu deutlich gewesen.

er beweglich bleiben wollte. Und weitere, von Deutschland gecharterte Kohlendampfer zur Versorgung der Dresden waren vom Gegner abgefangen worden. Zudem wurde der Bewuchs des Schiffsbodens mit jedem Tag stärker; das kostete Geschwindigkeit und damit auch Brennstoff. Seine Höchstgeschwindigkeit würde der sonst 25 Knoten schnel- le Turbinenkreuzer unter diesen Umständen wohl kaum noch erreichen. Der Proviant ging zur Neige, und der Muni- tionsbestand ließ auch kein längeres Gefecht mehr zu. Die Briten hatten ihre eigenen Sorgen. Da hatten sie als größte Seemacht der Welt schon über einen Monat mit ihren Kreuzern sämtliche Zufahrten zu den Feuerland-Kanälen und Fjorden blockiert und auch alle auf der Karte verzeich-

„Wo ist die Dresden ? Alle Schiffe in diesem Gebiet sollen uns sofort Nachricht über die Dresden geben.“ Rundfunktelegramm an alle Schiffe des britischen Geschwaders

neten Wasserstraßen durchstreift und waren nirgendwo fündig geworden, hatten weder die Dresden noch ein deut- sches Versorgungsschiff aufgespürt. Und London ließ nicht locker. Immer drängender wurden die funktelegrafischen Anfragen der Admiralität, wo zum Teufel dieser „goddam German cruiser“ denn stecke. Er müsse unter allen Umstän- den wiedergefunden werden, da er allein durch seine bloße Existenz die britische Schifffahrt an der südamerikanischen Westküste massiv behindere. Man rechne mit dem baldigen Wiederauftauchen des deutschen Kreuzers auf diesem Dampfertrack, und damit schätzten die Lords der Admira- lität den Dresden -Kommandanten durchaus richtig ein. Der hatte nämlich die Absicht, aus Feuerland aus- und nach der

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SCHIFF Classic 6 | 2025

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