der um seine vorteilhafte Lage genau wusste, jedoch kalt ließ. Er schickte acht entsetzlich wütende Brander (alte, mit hoch entzündli- chen Materialien versehene Schiffe) dem vor Calais eingeigelten Gegner entgegen und trieb die Spanier damit nordwärts auf das of- fene Meer. „Wir haben sie vor uns“, notierte Drake, „und denken sie mit Gottes Hilfe ver- senken zu können. Niemals hat mich etwas mehr erfreut, als den Feind nach Norden flie- hen zu sehen.“ Das Ende ist besiegelt Aber die Kämpfe zehrten nicht nur an den Kräften der Gejagten, sondern auch an de- nen der Jäger, die seit geraumer Zeit entfernt von den eigenen Küsten operierten und deren Nachschubschiffe nicht nachkamen. Skorbut, Typhus und Ruhr grassierten hüben wie drüben. Mehr als die fliehenden Armada-Schiffe bis auf Höhe Edinburgh zu beschatten, mutete Howard seinen Besatzun- gen daher nicht zu. Die Unbilden der Natur mit ihren Stürmen, heftigen Regenschauern und Kälteeinbrüchen würden den Spaniern auf ihrem beschwerlichen Weg nördlich der britischen Inseln über den Atlantik Richtung KATASTROPHEAUFDEMRÜCKWEG: Schwere Stürme mit Regen und Kälte wurden den Spaniern zum Verhängnis, die die Hälfte ihrer Schiffe verloren Foto: Interfoto/Mary Evans/Illustrated London News
Süden den Rest geben, war sich Howard si- cher. Und er behielt recht. Reihenweise zerschellten die einst stolzen spanischen Kriegsschiffe an den Felsenküs- ten Westirlands, trieben entmastet und unge- nau navigiert ab oder versanken in der sich auftürmenden See. Wind und Wetter hatten sich als zuverlässige Verbündete der Englän- der erwiesen, die es nicht mehr für nötig hiel- ten, auf die verstreuten spanischen Armada- Reste an der Südspitze Irlands zu warten, um sie vollständig zu vernichten. Die Chance, diesen britischen Sieg operativ zu nutzen und entschlossen gegen die Spanier vorzu- gehen, ergriffen Elisabeth und Howard nicht. Wieder gegen Cadiz Erst acht Jahre später, im Sommer 1596, setzte sich ein großer englisch-niederländi- scher Verband gegen Cadiz in Marsch, dezi- mierte die spanische Flotte, plünderte und besetzte die Stadt. Der Befehlshaber war kein anderer als Charles Howard of Effingham. Nach dem Tod Philipps II. 1598 war der schleichende Niedergang Spaniens nicht mehr aufzuhalten, aber für den tödlichen Stoß fühlte sich keine Macht stark genug. So bedurfte es im 17. Jahrhundert weiterer Schlachten, die die Seeherrschaft Spaniens endgültig brachen: 1607 und 1639 besiegte die niederländische Flotte die spanische vor Gibraltar und im Ärmelkanal.
ENGLISCHE TAKTIK In vier Geschwadern
„Die Engländer operierten, um mehr Bewegungsfreiheit zu gewinnen, in vier Geschwadern unter Howard, Drake, Hawkins und Frobisher. Innerhalb der Geschwader waren die Fahrzeugtypen zusammengewürfelt. Die Geschwader- kommandanten griffen einzeln die jeweils am meisten in Lee stehenden Einheiten der Spanier an. Die Schiffe der Geschwader folgten ihren Kommandanten der Reihe nach. Sowie jedes englische Schiff auf die befohlene Reichweite herangekommen war, feuerte es eine Breitseite und drehte dann ab. Wenn das ganze Geschwader geschossen hatte, schlug es nach der Methode ,dem Führerschiff folgen‘ einen Kreis und feuerte dann die andere Breit- seite ab. Danach zog es sich schnell zurück, um nachzuladen. Sicherlich fuhren die Geschwader noch keine regelmäßige Kiellinie; auch fehlte der Vorteil des massierten Feuers.“ Aus: Elmar B. Potter, Chester W. Nimitz: Seemacht. E i neSeekr i egsgesch i chte von der Ant i keb i szur Gegenwart . Herrsching 1986, S. 35 [Es gab noch ein weiteres Geschwader unter Führung von Admiral Lord Henry Seymour, der aus Dover operierte. Potter und Nimitz schreiben hier richtig von vier Geschwa- dern, aber Howard war Oberbefehlshaber und führte kein eigenes Geschwader; Anm. d. Redaktion]
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