Schiff Classic

ie Träume flogen hoch. Schon 1953 hatte der Gewerkschaftsboss Herbert Warnke, ein gebürtiger Hamburger, angeregt, für die Werktätigen ein Urlauber- schiff anzuschaffen. Es sollte das erste nach dem Krieg auf einer deutschen Werft gebau- te Kreuzfahrtschiff sein. Und dieses weiße Schiff mit seiner eigenwilligen Silhouette sollte vor allem werktätige Arbeiter und Bauern unter dem Namen Fritz Heckert hin- aus in alle Welt transportieren. Soweit der Traum der Funktionäre. Doch dann erwies sich, dass die Realisierung des zusätzlichen Projektes den Gewerkschafts- bund FDGB, die SED, die Werft selbst und die Zulieferindustrie in der DDR vor nur schwer lösbare Probleme stellte. Noch nah- men ja die harten sowjetischen Forderungen nach Reparationen alle Industriekapazitäten der jungen DDR schwer in Anspruch. D

Mark sind durch die sogenannte „Stecken- pferd-Bewegung“ aufgebracht worden. Mit dieser wollte die DDR eigentlich diverse ältere Handelsschiffe ankaufen, um endlich eine eigene Überseeversorgung einzuleiten. Es flossen Geld- und Materialspenden aus Betrieben und dem Verkauf von Spen- denmarken; eine große Euphorie konnte erzeugt werden, freiwillige Arbeitsstunden wurden geleistet, Arbeitskräfte zeitweilig von anderen Werften abgezogen, bis endlich der Schiffskörper am 25. April 1960 von Stapel lief und am 15. April 1961 das stolze Schiff dem Gewerkschaftsbund übergeben werden konnte. Großen Anteil an der Fertigstellung hatte der ehrgeizige Chefkonstrukteur der MTW Alfred Dudzus, der den Entwurf des Kreuz- liners verantwortet hatte und nun das Expe- riment auf Biegen oder Brechen durchboxte.

Zudem fehlte es an allem: an zusätzlichem Schiffbaustahl, an hochwertigem nautischem Gerät, an Arbeitskräften, natürlich an finan- ziellen Mitteln, an Kapazitäten auf den drei Hellingen und vor allem an einer leistungs- starker Antriebstechnik. 6WHFNHQSIHUG%HZHJXQJ Und doch wurde der Bau durchgeboxt und auch geschafft. Das hing auch mit dem 5. Par- teitag der SED zusammen, auf dem Walter Ulbricht die Losung formulierte, dass nun die DDR die BRD im Lebensstandard über- holen und die wissenschaftlich-technische Revolution meistern wolle. In eine solch hochtrabende Propaganda- Aktion fügte sich der Bau eines Urlauberschif- fes. Und so setzte man den Plan um, koste es, was es wolle. Die Bevölkerung der DDR wur- de mobilisiert. Allein 29,5 Millionen DDR-

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