Schiff Classic

TECHNIK & GERÄT

AM ANFANG WAR DAS RAHSEGEL ImWind der Ozeane Es gibt kaum einen schöneren Anblick auf See als ein Segelschiff unterm „Dom der weißen Segel“. Begonnen hat die Besegelung, die sich in Jahrhunderten enorm weiterentwickelt hat, im alten Ägypten, und sie dient nach wie vor einem einzigen Zweck: dem Vortrieb des Schiffes Von Peter H. Block D

ie erste Kultur, die in größe- rem Rahmen Segelschiffe ent- wickelte und sich damit aufs offene Meer wagte, dürfte die altägyp- tische gewesen sein. Zwar hatten die Ägypter aufgrund ihrer geografischen Lage mit einem Mangel an Schiffbau- material zu kämpfen, entwickelten aber dennoch die verschiedenartigsten Wasserfahrzeuge, nachdem sie erstma- lig um 3500 v. Chr. den Schritt vom heimischen Nil ins Mittelmeer wagten. Die Kraft des Windes mittels Segel zu nutzen, hatten sie ja schon auf dem Nil gelernt, wobei das Segel eine recht- eckige Form besaß, wesentlich breiter

Ein zweiter Mast, ein Mittelding zwischen Fockmast und Bugspriet, weist aus dem Deck des Vorschiffes kommend schräg nach oben über den Bug hinaus und führt an seinem Ende noch ein kleines Rahsegel ähnlich ei- ner Blinde, das ebenso wie das Groß- segel rundgebrasst, also mittels Tauen (Brassen) in horizontaler Richtung ge- schwenkt werden konnte. Schiffbauer lernen dazu Grundsätzlich hielten die Schiffbauer aber lange Zeit am einmastigen Schiff fest, auch die Anfang des 14. Jahrhun- derts gebauten mittelalterlichen Kog-

ÄGYPTISCHES SCHIFF des Neuen Reiches (18. Dynastie, 1500 v. Chr.) mit typischem Rahsegel Alle Strichzeichnungen: Sammlung Block

war als hoch und oben und unten an einer Rah befestigt war. Beide Rahen fixierte man an einem anfangs noch zweibeinigen Mast, sodass sie nicht geschwenkt und die Schiffe nur bei achterlichem Wind gesegelt werden konnten. An sich kein Problem, da der Wind ohnehin meist stromaufwärts blies; strom- abwärts konnte man sich treiben lassen und das Schiff mit wenigen Ruderschlägen steuerfähig halten. Stagnation im Schiffbau Aber die Ägypter waren kein seefahrendes Volk, blieben Kinder ihres großen Stromes, und so blieben auch ihre Schiffe weitgehend verstärkte Flussfahrzeuge; was zur Folge hat- te, dass die Entwicklung im Schiffbau der Ägypter stagnierte. Die Besegelung der phö- nizischen und griechischen Schiffe war der ägyptischen ähnlich. Anders die Römer, die für ihren Übersee- handel im Mittelmeer seetüchtige Schiffe brauchten, wie sie auch heute noch auf zahl- reichen Darstellungen in Form von Reliefs, Wandmalereien und Mosaiken präsent sind.

Im fernen Osten etablierten sich groß- flächige rechteckige oder trapezförmige Segel, welche die Fahreigenschaften der Schiffe den dortigenVerhältnissen anpassten Für ihren Seehandel hatten sie breite, rund- liche Schiffe, die auch schon mehrere Segel trugen. Ein in Ostia gefundenes Relief zeigt ein solches Schiff aus dem dritten vorchrist- lichen Jahrhundert mit einem großen Rah- segel am mittschiffs aufragenden Mast und darüber noch zwei schmale, dreieckige Toppsegel.

gen der Hanse trugen zunächst nur einen mittschiffs alleinstehenden Mast mit einem großen Rahsegel. Doch allmählich setzte sich die Erkenntnis durch, dass sich der Wind mit mehreren, hintereinander stehen- den Segeln wesentlich besser ausnutzen ließ. Folglich setzte man auf dem Vorschiff einen weiteren Mast, der ebenfalls ein Rahsegel bekam, und einen dritten Mast platzierte man auf dem Achterdeck und versah ihn mit einem Lateinersegel. Die dreieckige Form dieses Segels nahm dem Großsegel nicht zu viel Wind weg und erleichterte auch das Steu- ern des Schiffes. Eine völlig andere Art Segel etablierte sich im Fernen Osten auf der anderen Seite der Erdkugel: großflächige rechteckige oder tra- pezförmige Segel, die in Europa später als Luggersegel bekannt wurden, befestigt an stengenlosen Pfahlmasten, und zwar so, dass sich ein Drittel der Segelfläche vor dem Mast und zwei Drittel hinter dem Mast befanden. Anfangs noch aus Bambusmatten, wur- den die Segel später aus Leinen bzw. Baum- wolle gefertigt und dabei in ihrer ganzen

54

Made with FlippingBook flipbook maker