Die türkischen Truppen an den Darda- nellen, die zu den besten der osmanischen Armee gehörten, waren daher bei allen Problemen und Mängeln an Munition, Sandsäcken oder Stacheldraht vorbereitet. Die Zahl der Strandabschnitte, die auf- grund der Topografie überhaupt für Lan- dungen infrage kamen, war überschaubar. Liman und sein Stab begannen daher, Stellungen zu deren Abwehr vorzuberei- ten. Vor allem aber: Viele türkische Solda- ten waren seit dem Libyenkrieg und den Balkankriegen kampferfahren wie der junge Oberstleutnant Mustapha Kemal Pascha, der spätere türkische Staatsgrün- der Kemal Atatürk. Dies unterschied sie von den Angrei- fern, der „Mediterranean Expeditionary Force“ (MEF). Diese war nur ein zusam- mengewürfelter Haufen großenteils unerfah- rener und schlecht ausgebildeter Soldaten, die sich eher in das Kairoer Nachtleben gestürzt und die Pyramiden besucht hatten, als sich mit Übungen und Drill auf die harte Realität des Krieges vorzubereiten. $UURJDQ]GHV:HVWHQV Ihre Führung unterschätzte den Gegner aus einer arroganten, teils rassistischen Arroganz und unerschütterlichen Siegesgewissheit heraus sträflich. Unzureichende Aufklärung und ein mühsamer, leicht auszumachender Aufmarsch kamen hinzu. Damit gaben sie den Verteidigern das, was sie neben Waffen und Munition am meisten brauchten: Zeit, und diese nutzten sie durch Legen neuer Minen, begleitete von der Befestigung der wenigen in Frage kommenden Strandab-
schnitte bis hinein in die See sowie die Dislozierung von Truppen. Nach dem Scheitern der Marineopera- tion hatte auch der britische Kriegsminis- ter, der seit den Kriegen im Sudan und in Südafrika legendäre Generalfeldmarschall Lord Kitchener Earl of Khartoum, dem Einsatz von Soldaten zugestimmt – in der Annahme einer schnellen Operation. Zehntausende Soldaten des Empire sollten einen schnellen, entscheidenden Sieg erringen: Australier und Neusee- länder (ANZACs), indische Truppen und legendäre Gurkhas, ein jüdisches Maul- tierbataillon, das die Grundlage für eine Eroberung Palästinas sein sollte, sowie britische und französische – oft aus den nordafrikanischen Kolonien stammende – Einheiten. Anführen sollte sie General Sir Ian Hamilton, der über viel Erfahrung in Kolonialkriegen verfügte. /DQGXQJHQEHJLQQHQ Aus einer ursprünglich reinen Marineoperation wurde nun ein amphibisches Unternehmen (joint and combined), das viele Generalstäbler bald als „Muster“ für ähnliche Unternehmen studierten – im Guten wie im Schlechten. Im Morgengrauen des 25. April landeten nach mehrfachen Verzögerungen durch schlechtes Wetter und organisatorische Probleme die
$%:(+581'6&+:,(5,*(5%(*,11 „Auf ihre Schiffe zurückwerfen“ „Die feindlichen Schiffe schützten im besten Sinne des Wortes ihre gelandeten Truppen. Wir verfügten in jenen Tagen dort nur über Feldartillerie, die zur Abwehr der feindlichen Landangriffe dringend benötigt wurde und bereits jetzt mit ihrer Munition haushalten musste. Gegen die feindlichen Kampfschiffe konnten sie weder nach Wirkung noch nach Reichweite in Betracht kommen. Es [blieb] nur der Versuch, die gelandeten Truppen in nächtlichem Angriff auf ihre Schiffe zurückzuwerfen“ Generalleutnant (Marschall)
Otto Liman von Sanders über die ersten Stunden und Tage nach der Landung
(5)2/*5(,&+(0,66,21 Der preußische Generalleutnant und osmanische Marschall Otto Liman von Sanders (1855–1929) war Chef der Militärmission in der Türkei
Foto: Interfoto/Sammlung Rauch
9(568&+6/$8) Gemeinsam mit Indomitable und den französischen Schlachtschiffen Suffren und Vérité hatte der britische Schlachtkreuzer Indefatigable den ersten, wenig ermutigenden, Angriff auf die Dardanellen am 3. November 1914 durchgeführt
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