ZEITGESCHICHTE JET-PILOT JOCHEN STREIT
In enger Formation mit einer TF – aus dem hinteren Cockpit eines Starfighter fotografiert
Eine der beiden Napalmbomben, die Jochen Streit zum Lehrgangs- abschluss abwerfen durfte
de darin, dass er es nur mit Mühe schaffte, in die Luft zu kommen ... »Wir standen am Abflugpunkt, bereit zu einem Formations- start. Ich beschleunigte und als die Ge- schwindigkeit zum Rotieren (213 Knoten) auf dem Fahrtmesser angezeigt wurde, zog ich am Steuerknüppel. Sofort bemerkte ich, dass da etwas nicht stimmte. Ich musste viel zu viel Kraft aufwenden, um die Nase des Starfighters hochzubekommen. Da war defi- nitiv etwas nicht in Ordnung, ein Startab- bruch war aber nicht mehr möglich. Also Fahrwerk einfahren und Fehler suchen ...«, erzählt er diese weniger lustige Episode aus seiner Ausbildungszeit. Probleme mit der Trimmung »Die Maschine flog, aber ich musste den Stick permanent mit großem Kraftaufwand ziehen. Es half auch nichts, dass ich die Trim- mung immer wieder in Richtung Nose-up betätigte. Bald bekam ich Begleitung,
kontakt gefunden. Dieser sorgte dafür, dass die Trimmung ausgefallen war – und zwar im Anschlag der Nose-down-Position.« Präziser Starfighter Am 25. Oktober 1965, vier Tage nach diesem Zwischenfall, notierte er im Flugbuch die Bemerkung »skip and strafe«. Der Begriff »strafe« ist mir geläufig, er bezeichnet das Beschießen eines Bodenziels mit der Bord- kanone. »Mit ›skip‹ ist der Zielwurf mit Ab- prallbomben gemeint …«, erhalte ich umge- hend als Erklärung. »Im Trainingsgebiet waren Zielscheiben aufgebaut, die es zu treffen galt. Sehr präzises Fliegen war hier unabding- bar, denn für einen Erfolg muss die Bombe kurz vor dem Ziel auftreffen oder die Ziel- scheibe direkt treffen. Andernfalls gibt es null Punkte – schlecht für den erfolgreichen Lehr- gangsabschluss. Beim ›strafing‹ muss man wissen, dass die Vulcan-Kanone des Starfigh- ters eine Kadenz von 4000 Schuss pro Minu-
100 Prozent geschossen. Über 70 Prozent lagen alle Lehrgangsteilnehmer, ich erreichte 86 Prozent. Und nachdem wir dieses Training erfolgreich absolviert hatten, stand uns noch die eigentliche Paradedisziplin des Jagdflie- gers bevor – das Schießen auf ein fliegendes Ziel.« Im Flugbuch lese ich in den letzten Novembertagen des Jahres 1965 den Begriff »Air-to-Air Gunnery«. Inzwischen ist der Leistungsdruck schon recht hoch, wie ich den weiteren Erzählungen entnehmen kann. Nicht alle Aspiranten schaffen es, die Übungen erfolgreich abzuschließen. Und beim Schießen auf das Schleppziel wurde es – nachdem bisher alles bestens gelaufen war – sogar knapp für Oberleutnant Streit. Der Schock zum Ende »Jeder Schüler hatte vier Flüge, bei mindes- tens zwei Flügen musste das Ziel getroffen werden. Der Lehrer begleitete seine drei Schüler in einer eigenen F-104 in den Übungsraum, wo der Zieldarsteller, eine F-104 mit einem Schleppziel aus Sperrholz und einem Radar-Reflektor an dessen hin- terem Ende, bereits auf uns wartete. Ich ziel- te mit dem Radar und drückte den Auslöser der Vulcan-Kanone – nicht getroffen! Neuer Flug, ein paar Tage später: das Schleppziel mit dem Radar perfekt erfasst, die Kanone spuckt ihre Projektile in Richtung des Sperr- holzmodells – wieder vorbei. Nun wurde mir doch etwas mulmig. Alle bisherigen Aufga- ben hatte ich doch erfolgreich gemeistert, es konnte wohl nicht sein, dass ich an dieser letzten scheitern sollte. Bei den beiden noch verbliebenen Flügen musste ich das Ziel tref- fen, um mich zu qualifizieren. Mutig ging ich aufs Ganze, ignorierte das Waffenradar, zielte Pi mal Daumen und etwas Vorhalt – Treffer! Was einmal geklappt hat, kann auch
›Es konnte doch wohl nicht sein, dass ich an dieser letzten Aufgabe scheitern sollte‹
te hatte, das sind 66 Schuss in einer Sekunde. Man musste also hochkonzentriert das Ziel stabil anfliegen und in der richtigen Entfer- nung einen Feuerstoß von etwa 20 Schuss abgeben. Wir hatten immer 100 gegurtet, was dann für fünf Anflüge reichte. Der Starfighter hatte übrigens eine deutlich höhere Treffer- quote als seine Vorgängerin – die F-100 – die ebenfalls dort am Platz war. Gefordert waren in dieser Disziplin mindestens 25 Prozent Treffer. Die F-100 haben das mit Ach und Krach erreicht und wenn ein Pilot 40 Prozent geschafft hat, wurde er schon gefeiert. Unser Waffenlehrer hat mit der F-104 öfter 99 bis
doch die Besatzung der anderen Maschine konnte an meinem Starfighter nichts Ungewöhnliches feststellen. 20 Minuten nach dem Abheben setzte ich zur Landung an, in Begleitung eines Search-and-Rescue- Helikopters und mit großer Feuerwehr- Präsenz an der Landebahn. Es gelang mir, den nicht recht flugwilligen Vogel unspek- takulär und sicher auf den Boden zu bringen, wo er auf dem Vorfeld von den Technikern übernommen wurde. Schon bald wurde mir das Ergebnis der Fehlersuche berichtet: In der Elektrik der Höhenrudertrimmung wurde ein Wackel-
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