Ritter von Kempski, Sie sind Arzt und haben international als Unternehmensberater gearbeitet. Wie kam es, dass Sie Hotelier in Sachsen-Anhalt wurden? Das ist gar nicht so weit voneinander entfernt. Als Chirurg habe ich lange auch Krankenhäuser geführt und saniert, auch eigene Krankenhäuser. Ob für Gäste oder Patienten, es geht um Häuser für Menschen, die mit speziellen Bedürfnissen und Ansprüchen kommen. Das ist ein strategischer und gleichzeitig pragmatischer Ansatz. Wobei es im Hotel keinen OP gibt. Dem OP im Kranken haus entspricht gewissermaßen die Hotelküche. Neben Zusatzangeboten wie dem Spa-Bereich steht sie für Gäste ganz oft im Zentrum. Dabei ist eine Hotelküche viel komplexer als ein OP. Ich bin kein Koch. Das muss ich aber auch nicht sein, um eine Küche strukturell zu verstehen. Neben dem Hotelrestaurant bietet Ihr Naturressort Schindelbruch seit Februar letzten Jahres das Gourmet- restaurant Silberstreif. Unser Küchenchef Eric Jadischke wurde gerade vom Gault&Millau auf Anhieb mit drei Hauben und dem „Next Generation“-Award ausgezeichnet. Das heißt, man traut ihm zu, die Küche in Deutschland in den nächsten Jahren zu beeinflussen. Gratuliere! Wie ist das Konzept? Wir haben die Küche als Teil unseres Gesamtkonzepts entwickelt. Sie ist sehr ursprünglich, regional, auf Tierwohl bedacht. Be- stimmte Angebote werden Sie bei uns nicht finden, etwa französische Gänsestopfleber. Wir verwenden tatsächlich keine Produkte aus dem Ausland, selbst Gewürze stammen aus Deutschland – wenn möglich, direkt aus der Region. Dabei gilt der Harz nicht als kulinarischer Hotspot. Wir sind aber ein Hotel im Harz, daher verwenden wir die vie- len Produkte der Gegend, ob frische Fichtennadeln oder den ersten Bärlauch, den wir selber sammeln und frisch verarbeiten. Wir haben eine unaufgeregte, bodenständige Küche mit Persönlichkeit und vielen Finessen. Der Südharz ist keine spektakuläre Tourismusregion. Abgesehen von Ihrer Küche – warum ist die Gegend einen Besuch wert? Tatsächlich ist es eine spektakuläre, nur leider wenig bekannte Tourismusregion. Ein unbekanntes Juwel? Das ist höflich ausgedrückt, aber ja. Wenn wir sehen, welche Entwicklung der Baye rische Wald, der Schwarzwald, das Allgäu und natürlich Südtirol genommen haben, dann sage ich: Chapeau vor dieser tollen Vermarktung! Insofern ist der Südharz ein Ziel für Entdecker und Neugierige, die gerade nicht auf überlaufene touristische Hotspots setzen wollen. Das „Ursprüngliche“ ist ein strapaziertes Wort, aber: Doch, wir haben sehr viel Ursprünglichkeit zu bieten.
In der aktuellen Ausgabe des Gault&Millau wurde Eric Jadischke im Gourmetrestaurant Silberstreif auf Anhieb mit 16 Punkten und drei Kochhauben ausgezeichnet.
Wie kann man sich das vorstellen? Das Naturressort Schindelbruch ist umgeben von Wald. Unsere fantasti schen Rotbuchenhänge sind zu jeder Jahreszeit etwas Besonderes, selbst im Winter, wenn die silbergrauen Stämme in den klirrend kalten Nachthimmel ragen. Eine Sternwanderung ist hier ein Erlebnis, das man in dieser Form selten hat, auch weil wir kaum Lichtverschmutzung haben. Neben der Natur haben wir mit der historischen Europastadt Stolberg die tatsächliche Perle im Südharz. Was macht Stolberg zur Perle? Es ist eine vollkommen erhaltene mittelalterliche Stadt voller Fachwerkhäuser, frei von Bausünden. Darüber thront Schloss Stolberg. Es gehörte der fürstlichen Familie von Stolberg, die eine große Rolle in europäischen Fürstenhäusern gespielt hat. Im Umkreis von ein, zwei Stunden Fahrt kann man von hier aus mehrere UNESCO-Weltkulturerbestätten erreichen. Sie kommen aus Düsseldorf. Was hat Sie in den Südharz gezogen, familiäre Wurzeln? Nein, es gibt keine histo- rische Verbindung. Meine Eltern waren beide Flüchtlinge, meine Mutter kam aus Schlesien, mein Vater aus Ungarn, beide deutschstämmig. Ich wollte gerne wieder Grund und Boden besitzen, also: Wald. Nach der Wende konnte ich hier oben einen Forstbetrieb erwerben. Ich habe das alles sehr geliebt hier. Diesen fantastischen Wald, den muss man touristisch entwickeln, dachte ich. Das war der
17
INTERVIEW
Made with FlippingBook flipbook maker