ERFINDUNGEN LUF TWAF F E
Ein Luftschiff gegen Napoleons Grande Armée Im Jahr 1812 unterbreitete ein deutscher Ingenieur der russischen Regierung ein unerhörtes Projekt: Ein Luftschiffbomber sollte Napoleons Invasion stoppen.
KAMPF UM DEN ERDBALL. Englische Karikatur aus dem Jahr 1784 (British Library).
E s war eine Sensation, deren Kunde sich schon bald wie ein Lauffeuer verbreitete: Im Juni 1783 gelang es den Brüdern Jo- seph Michel und Jacques Éti- enne Montgolfier zum ersten Mal, einen Heißluftballon aufsteigen zu lassen. Die Ära der Luftfahrt war damit eingeläutet. Schon bald interessierte sich das Militär für das Potenzial der neuen Erfindung. Tatsächlich setzte man bereits wäh- rend der Koalitionskriege (1792–1815) zwischen Frankreich und weiteren eu- ropäischen Nationen Fesselballons zur Aufklärung ein. Damit schienen die Möglichkeiten längst nicht ausgeschöpft.
Besonders ein junger deutscher Erfinder namens Franz Xaver Leppich hatte im Wortsinn hochfliegende Pläne: Zunächst bot er Napoleon seine Pläne zum Bau eines Ballons an. Aus der Luft solle der „eine ganze Armee vernichten“ können. Versehe man Ballons (die nicht gegen den Wind fliegen können) nämlich mit Flügeln, dann wären sie in jede Richtung navigierbar. Napoleon lehnte ab, verbot die Experimente, drohte Leppich gar mit Verhaftung. Der floh zu Friedrich I. von Württemberg und unterbreitete auch diesem den Plan. Der König zögerte – gewährte dem deutschen Erfinder aber dann einen Zuschuss. Verlockendes Angebot Leppich tüftelte an Konstruktionsplänen für sein Luftschiff, als ihm Anfang 1812 David Alopeus, der russische Botschafter in Stuttgart, anbot, in seinem Land zu arbeiten. In einem Brief an Zar Alexan- der I. beschrieb Alopeus detailliert ein Gefährt „in Form eines Wals“. Es sollte „40 Männer mit 12 000 Sprengladungen“ zur Bombardierung feindlicher Stellun- gen befördern können. Weiter hieß es, dass das Luftschiff eine Überfahrt von Stuttgart nach London in unglaublichen 13 Stunden bewältigen würde. IN DER SCHLACHT VON FLEURUS (1794) kam dieser Fesselballon zur Aufklärung zum Einsatz (Gravierung).
Zu dieser Zeit stand Napoleon kurz vor seiner Offensive gegen Russland; jede Idee zur Vertei- digung war willkommen. Am 26. April genehmigte der Zar Lep- pichs Projekt und ließ eine Werkstatt in einem Dorf nahe Moskau einrich- ten. Unter dem Decknamen „Schmidt“ überwachte Leppich hier vorgeblich die Produktion von Artilleriemunition. Der Governeur Fjodor Rostoptschin stellte ihm derweil alle notwendigen Mittel zur Verfügung, darunter große Mengen an Stoff, Schwefelsäure, Schmirgelpulver und weitere Waren für die astronomische Summe von 120 000 Rubel. Im Juli ar- beiteten bereits rund 100 Beschäftigte in 17-Stunden-Schichten vor Ort. Leppich versicherte Rostoptschin, dass das Geld gut angelegt und die Flug- maschine bis zum 15. August fertig sei; im Herbst würden ganze Geschwader am Himmel über Moskau fliegen! Am 15. Juli besuchte Zar Alexander selbst die Werkstatt und ließ sich verschiedene Tei- le des Flugapparats zeigen, darunter die Tragflächen und eine große Gondel von 15 Meter Länge und acht Meter Breite. Der Kaiser informierte umgehend sei- nen Oberbefehlshaber Michail Kutusow über die Geheimwaffe und wies ihn und Leppich an, ihr Vorgehen bei der bevor- stehenden Luftoffensive gegen die Fran- zosen zu koordinieren.
BRIDGEMAN / ACI
14 NATIONAL GEOGRAPHIC HISTORY
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