IJAB Journal 1/2021: Internationer Austausch und Corona

stark beeinträchtigt sind und dass diese negative Entwicklung sich auch im Folgejahr 2022 fortsetzt. Sollte die Pandemie in den kommenden Monaten weltweit keine Lockerungen zulassen, ist davon auszugehen, dass sich der Austausch noch stärker auf Europa und Nordamerika konzentrieren wird. Für viele Organisationen, insbesondere jene, die Langzeitformate wie Freiwilli- gendienste, Au-pair- oder Schulaufent- halte koordinieren und wo Austausche mit Deutschland weiterhin nicht mög- lich sind, bedeutet der Wegfall der Aus- tauschmaßnahmen häufig das Ende der finanziellen Einnahmen und somit den Wegfall der Existenzgrundlage. Benachteiligte Jugendliche brauchen mehr Unterstützung Stärker als in den Jahren zuvor ist die Gruppe derjenigen in den Vordergrund getreten, die den Auslandsaufenthalt fest in ihrem Lebenslauf eingeplant haben und auch auf die Unterstützung der Eltern in diesen schwierigen Zeiten bauen konnten. Sie brachten den Mut auf, sich trotz Corona auf das „Aben- teuer Auslandsaufenthalt“ einzulassen. Die Gruppe der benachteiligten Jugend- lichen scheint durch die Pandemielage besonders stark in ihrer Bereitschaft, an internationalen Maßnahmen teilzuneh- men, beeinflusst worden zu sein. Ob feh- lende Unterstützung der Eltern, fehlende Zugänge zu Information, ob allgemeine Unsicherheit aufgrund der Corona-Lage oder unklare gesundheitliche Versor- gungsstrukturen in den Zielländern: Die Gemengelage in der Umsetzung von Auslandsaufenthalten in Pandemiezei- ten macht es für benachteiligte Jugend- liche noch schwieriger, sich auf einen Auslandsaufenthalt einzulassen. Nachhaltiger und digitaler Ein spannender Nebeneffekt der Pande- mie lässt sich im Hinblick auf die Nach-

haltigkeit von internationalen Maßnah- men beobachten. Die Corona-Krise wirkt sich in diesem Kontext gezwungenerma- ßen positiv auf ein nachhaltigeres Rei- severhalten der jungen Teilnehmenden aus. So positiv das nachhaltige Reisever- halten sein mag, verschärft sich dadurch allerdings die bereits erwähnte Fokus- sierung auf die westlichen Industrielän- der und insbesondere auf Europa. Auch im Bereich der Internationalen Ju- gendarbeit hat sich die Arbeitswelt im Pandemiezeitraum ins Digitale verscho- ben, mit all seinen Vor- und Nachteilen. Digitale Methoden und Arbeitsabläufe waren und sind eine wertvolle und not- wendige Grundlage der internationalen Arbeit in Pandemiezeiten. Viele digitale Instrumente werden auch über die Pan- demie hinaus die Arbeit und Kommu- nikation von und mit Teilnehmenden, Partnerorganisationen oder im internen Organisationsablauf weiter positiv be- einflussen. Dennoch können digitale Partnerschaften nicht die physische Be- gegnung mit all ihren Facetten ersetzen. Blick in die Zukunft Europäische Partnerschaften werden ge- stärkt aus der Krise hervorgehen, da sie die ersten Zielregionen sind, die schon jetzt wieder Austausche ermöglichen. Bei Überseegebieten bzw. Ländern des Südens wird die künftige Entwicklung von den lokalen Gegebenheiten abhän- gen. Wichtig ist, die Partnerorganisati- onen in diesen Ländern nicht aus dem Blick zu verlieren und soweit wie mög- lich zu unterstützen, damit am Ende der Pandemie eine Infrastruktur für interna- tionalen Jugendaustausch weltweit zur Verfügung steht und nicht neu aufge- baut werden muss. Die Reaktivierung von Kurzzeitmaßnah- men wird in den kommenden Jahren stark von der saisonalen Pandemieent- wicklung abhängen. Dementsprechend werden Workcamp-Organisationen so-

wie Träger, die in großen Teilen von der Durchführung von Kurzzeitaufenthalten abhängig sind, weiterhin auf die Flexi- bilisierung der öffentlichen Förderinstru- mente angewiesen sein. Die bisher ergriffenen Schutzmaßnah- men, die finanziellen Sonderprogramme und die Anpassung der Förderrichtlinien an die Pandemielage haben insgesamt wesentlich dazu beigetragen, die Trä- gerlandschaft der Internationalen Ju- gendarbeit zu unterstützen. An diesem Ansatz sollte festgehalten werden. Eine weitere denkbare und wünschens- werte Entwicklung ist ein deutlich stei- gendes Interesse in den kommenden Monaten an der Teilnahme von inter- nationalen Maßnahmen durch die Ju- gendlichen, die sich in den vergangenen eineinhalb Jahren zurücknehmen muss- ten und nun ihre Träume und Wünsche nachholen möchten. In Deutschland werden die Träger daher vor der He- rausforderung stehen, Internationale Jugendarbeit wieder flächendeckend für alle Jugendlichen zugänglich zu machen.

Kontakt: Robert Helm-Pleuger

IJAB, Leiter des Geschäftsbereichs „Information für die internationale Jugendarbeit und Jugendpolitik“ helm@ijab.de Christian Herrmann IJAB, Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit herrmann@ijab.de

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