Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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der objektivierenden Erzählung und Reflexion hineingezogen wird und ihnen erliegt. Es gehört zur Kunst des Analytikers, ein optimales Gleichgewicht zwischen beiden zu bewahren und die Kommunikationskanäle zwischen ihnen offenzuhalten.“ (S. 360) Fred Busch (1997) versteht die freien Assoziationen des Patienten “als eine komplexe organische Einheit, die ohne unangemessene Störung durch den Analytiker die verschiedenen Komponenten des Konflikts, die den Patienten in Behandlung gebracht haben, zum Ausdruck bringt” (Bush 1997, S. 409). Der Modus des Zuhörens und des Deutens der freien Assoziationen bezieht folgerichtig das Ich des Patienten als wesentliche Determinante sowohl der Bedeutung der Assoziationen als auch der Fähigkeit des Patienten, die Deutungen anzunehmen und zu verstehen, mit ein. Busch zufolge fördert dieser Ansatz die Entwicklung einer selbstanalytischen Fähigkeit und unterstützt Veränderungen des Ichs. Busch (2009) hat Loewalds Überlegungen über die Verwendung der Sprache weiterentwickelt und erläutert, dass das kindliche Denken in der Zeit, in der frühe Konflikte aufzutauchen beginnen, von Handlungskonzepten beherrscht wird. Er beschreibt zudem eine Methode, psychoanalytisch mit Sprachhandlungen zu arbeiten, und zwar auf der Grundlage der Gegenübertragung, die die Sprachhandlung zu verstehen hilft, der Umwandlung von Handlungen in Repräsentationen und der Betonung des Prozesses und nicht des Inhalts . Kris’ und Buschs Sichtweisen der Methode der freien Assoziation kommen der französischen psychoanalytischen Tradition sehr nahe, die in Französisch-Kanada sehr einflussreich war. So erklärt Jean-Luc Donnet (2010): “Dem Projekt einer analytischen Behandlung entsprechend, besteht die Methode in der umsichtigen Schaffung der Bedingungen, unter denen sich die freie Assoziation als praktikabel, deutbar und nutzbringend erweist“ (S. 156). Indem der Analytiker die Assoziationen des Patienten bzw. deren Fehlen zu seiner Orientierung benutzt, werden seine Deutungen zu einer Möglichkeit, komplexe Repräsentationen aufzubauen, die den Weg bahnen, um Handeln durch Reflexion zu ersetzen. Arnold Modell (2009), der die Metapher als eine für die Kommunikation und Deutung unbewusster Bedeutung zentrale Währung betrachtet, ist der Ansicht, dass Freuds (1912e) Aufbau eines psychoanalytischen Settings, das die Ambiguität fördert, und insbesondere seine Empfehlung der freien Assoziation in Verbindung mit der gleichschwebenden Aufmerksamkeit des Analytikers metaphorische Äußerungen erleichtert. Linda Brakel (1993) plädiert für die Erweiterung der Kanäle der freien Assoziation um sowohl bildhafte als auch verbale Modi, um das klinische Verständnis und den „Zugang zu der Lebensphase, in der das Erleben in höherem Maß visuell ist“, zu verbessern (S. 359). Gestützt auf die Geschichte der psychoanalytischen Verwendung von Zeichnungen sowie auf ihre eigene klinische Erfahrung mit Patienten, die bestimmte Traumerfahrungen nicht in Worte zu fassen vermochten, formuliert sie

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