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und Verstehen erleichtert. Die Autoren betonen die Synergieeffekte dieser komplementären Haltungen und Aktivitäten, nämlich die Destabilisierung des neurotischen Gleichgewichts. Die Autoren berücksichtigen die Entwicklung der klassischen behandlungstechnischen Tradition (Bachant, Lynch & Richards 1995) unter dem Blickwinkel der sich wandelnden Konzeptualisierungen der Übertragung (Gill 1982), des Agierens (Jacobs 1986; Boesky 1982; Chused 1991; McLaughlin 1987, 1991), der Neutralität (Greenberg 1991; Levine 1993; Pine 1993) und der Selbstenthüllungen des Analytikers (Aron 1995; Jacobs 1995; Renik 1995) und betonen, dass die Radikalität der beiden strukturellen Grundsäulen der psychoanalytischen Situation – freie Assoziation und analytische Neutralität – eine außergewöhnliche therapeutische Interaktion erzeugen, „die für Stabilität im Kielwasser regressiver und progressiver Strömungen des psychoanalytischen Prozesses sorgen“ (Adler & Bachant, S. 1023). Die Aufforderung, frei zu assoziieren, wird hier als „weitreichende Ausdrucksfreiheit“ formuliert, „die garantiert, dass ohne Rücksicht auf Konventionen wie Takt, Angemessenheit oder thematische Organisation spontan gesprochen werden kann“ (S. 1023). Die inhärente Schwierigkeit, wenn nicht Unmöglichkeit, die Anleitung zu befolgen, wird anerkannt. Paradoxerweise aber ist – und hier klingt Freud (1916- 17a) an – „ausgerechnet diese Schwierigkeit eine vorzügliche Gelegenheit, die chronisch hemmenden Zwänge, die den Reichtum des psychischen Lebens einengen, zu beobachten […] und zu meistern“ (Adler & Bachant 1996, S. 1024). Der Prozess der freien Assoziation gewährt Zugang zu den tiefsten Schichten des Unbewussten, „Verbindungen zum Körper und zu Körpersensationen, die häufig ignoriert werden, wenn der subjektiven Darstellung seiner Beziehungserfahrung durch den Patienten Vorrang gegeben wird“ (Gill 1995). Die Autoren stimmen mit A. Kris (1982) darin überein, dass die verloren gegangenen Verbindungen mit dem Körper und zwischen verschiedenen Elementen der Psyche gestärkt werden, wenn der Analytiker dem Patienten dabei hilft, seine freien Assoziationen als sein Eigen anzuerkennen. Adler und Bachant verstehen sowohl die relationalen als auch die intrapsychischen Aspekte der freien Assoziation als eine einzigartige Konfiguration des analytischen Prozesses, die „dem Patienten eine introspektive Begegnung mit seinen tiefsten emotionalen Regungen im Kontext einer Interaktion mit einem anderen Menschen ermöglicht“ (S. 1026). Strukturiert durch die freie Assoziation, evoziert diese Interaktion eine frühe, asymmetrische Mutter-Kind-Intimität und bringt den Analytiker unweigerlich mit der „Mutter der Separation“ (Stone 1961) in Verbindung. Da die freie Assoziation ein Ideal ist, das lediglich eine Annäherung erlaubt, tauchen gewichtige Hindernisse auf, die als Ausgangspunkt der analytischen Untersuchung dienen können. Solche Entgleisungen des Assoziationsprozesses bieten, sofern sie identifiziert werden, Gelegenheit, emotionale Blockaden zu erforschen, die das Gefüge der Abwehrstruktur konstituieren und im psychoanalytischen Prozess als Widerstände auftauchen. Dazu zählen auch Tendenzen der Selbstverurteilung/Selbstbeurteilng, die im Kontext der evokativen Objektbeziehung mobilisiert werden (Boesky 1990; Gray 1994). Indem Patienten auf diese Weise als teilnehmende Beobachter des eigenen inneren Prozesses mitarbeiten,
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