Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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können sie sich vorübergehend von intensiven Impulsen und Gefühlen distanzieren – eine wichtige, für die emotionale Reifung maßgebliche Ich-Funktion (Hartmann 1951; Nunberg 1932; Adler & Bachant 1996). So kann sich ein gestärktes Gefühl der persönlichen Urheberschaft entwickeln, das passiven Tendenzen entgegenwirkt und die wachsende Reflexionsfähigkeit unterstützt. Die Autoren vertreten zudem die Ansicht, dass die freie Assoziation als Deutungsinstrument in Verbindung mit Empathie als verlässliche Informationsquelle dient, die den theoretischen Wissensressourcen in nichts nachsteht. Ein weiterer wichtiger und potenziell umstrittener Punkt, den die Autoren erörtern, betrifft eine Reihe von Aspekten, die damit zusammenhängen, dass Patienten „dem Analytiker einen privilegierten Zugang zu ihrem inneren Leben gewähren“. Die Autoren stimmen mit Pine (1985) und Winnicott (1956) darin überein, dass der Therapeut die Behandlungssituation für die Arbeit mit Patienten, deren Fähigkeit, Anderen zu vertrauen, schon früh im Leben erschüttert wurde, unter Umständen „grundlegend anpassen muss, um ihrer Vulnerabilität Rechnung zu tragen“ (Adler & Bachant 1996, S. 1029). III. Ad. Freie Assoziation als Grundlage der psychoanalytischen Methode und ihre Beziehung zu technischen Innovationen Axel Hoffer (2006) hat die technischen Neuerungen in den Schriften Freuds und Ferenczis und die daraus hervorgegangene psychoanalytische Technik untersucht und ist zu dem Schluss gelangt, dass „die Analyse von Widerstand, Übertragung und Gegenübertragung mit Hilfe der Methode der freien Assoziation die Säulen der Psychoanalyse bildet“ (S. 11). Anhand historischer Beispiele für die aktiven Maßnahmen, die Freud und Ferenczi in der Behandlung von Patienten mit unterschiedlichen Charakterpathologien ergriffen haben (Freuds „Wolfsmann“, Ferenczis „mutuelle Analyse“ mit Elisabeth Severn usw.), sowie ausgehend von seiner eigenen Erfahrung mit einer gefährlich selbstdestruktiven bulimischen Patientin untersucht Hoffer verschiedenartige therapeutische Ambitionen des Analytikers, die bestimmte Formen des Widerstands, die sich hinter der scheinbaren Compliance des Patienten verbergen, verstärken können. So schreibt er: „Während wir uns bemühen, unseren Patienten dabei zu helfen, ihre Entscheidungen, Konflikte und Dilemmata möglichst gründlich zu verstehen – und ihre eigenen Lösungen zu finden -, bleibt die Vergrößerung ihrer Freiheit zu assoziieren meiner Ansicht nach das Beste, was wir ihnen zu bieten haben, damit sie für sich selbst entscheiden können, wie stark sie sich verändern können und wollen“ (S. 22). In diesem Zusammenhang scchränken die therapeutischen Ambitionen des Analytikers, die häufig durch die selbstdestruktiven Symptome und Einstellungen des Patienten verstärkt werden, diesen in seiner Freiheit ein und beeinträchtigen letztlich auch seine gleichschwebende Aufmerksamkeit. Dessen therapeutischer und ethischer Wunsch, seine Patienten „vor Schaden zu bewahren“, ist notwendig und begrüßenswert, wenn der Analytiker aber „Veränderung

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