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Wörterbücher aus der französischen Tradition (Laplanche und Pontalis 1973) und der britischen Objektbeziehungstheorie (Hinshelwood 1989) definieren die Ich- Psychologie in einem engen Sinn als „Hartmanns ich-psychologische Schule“, die sie (aus unterschiedlichen Gründen) der britischen objektbeziehungstheoretischen und der französischen Tradition des psychoanalytischen Denkens gegenüberstellen. --- Im Einklang mit der weit gefassten Definition der Ich-Psychologie (als einer nicht abgeschlossenen Phase wie auch als Zweig in der Entwicklung der psychoanalytischen Theorie) behandelt dieser Eintrag die „Hartmann-Ära – klassische Ich-Psychologie“, die international manchmal auch als „amerikanische Ich- Psychologie“ bezeichnet wird, sowie weitere, sich überschneidende Entwicklungen, nämlich die „zeitgenössische Ich-Psychologie“, die „Moderne Konflikttheorie“ und das „zeitgenössische freudianische Denken“. Zur Illustration dienen Beispiele für verschiedene Neuformulierungen, Erweiterungen, Übergänge und Integrationen, die aus dem wechselseitigen Austausch mit anderen theoretischen Modellen in Nordamerika, Europa und Lateinamerika hervorgegangen sind. Beispiele für relevante überdauernde sowie neu auftauchende Beiträge werden ebenfalls vorgestellt.
II. WELTWEITE REZEPTION DER ICH-PSYCHOLOGIE
Der Einfluss und die Entwicklung der Ich-Psychologie hängen vor allem mit Nordamerika zusammen, wohin sie durch europäische Analytiker gelangte, die vor den Nazis und dem drohenden Holocaust geflüchtet waren. Für die komplizierte Rezeption der Ich-Psychologie in Europa und Lateinamerika war eine Reihe von Faktoren mitverantwortlich, u.a. divergierende Übersetzungen, unterschiedliche Konzipierungen des Ichs je nach Bezugsrahmen (das Ich der topischen Theorie unterscheidet sich von dem der Strukturtheorie; zu unterscheiden ist auch zwischen einer engen und einer breiten Definition der Ich- Psychologie an sich), unterschiedliche Diskursebenen (Ebenen der Abstraktion, Theorie, Technik) sowie unterschiedliche soziokulturelle Hintergründe, die ihren Einfluss in der psychoanalytischen Kultur und Geographie geltend machten. Sie werden z.T. unten dargestellt und in den Abschnitten über die nordamerikanischen, europäischen und lateinamerikanischen Beiträge und Entwicklungen gesondert erörtert.
Das Freud’sche „Ich“ Freud bezeichnete als „Ich“ (von Strachey mit „the ego“ statt mit „the I“ übersetzt) sowohl eine Instanz des psychischen Apparates als auch eine subjektive
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