Zurück zum Inhaltsverzeichnis
kann die Kohärenz wie auch die Affektregulation u.U. wiederherstellen und das therapeutische Bündnis unterstützen. Freie Assoziationen sind nie wirklich „frei“ von äußeren „Intrusionen“, historischen oder aktuellen Aspekten der Lebensumstände des Patienten und des Analytikers und von Ereignissen oder Aspekten, die nicht Teil der Übertragung sind; hier nennt Blum u.a. die Zahlung durch eine dritte Partei, Schwangerschaft, Geburt, Heirat, Scheidung oder Wiederverheiratung eines Partners des analytischen Paares. Zahlreiche außer-analytische Einflüsse sind dem Tagesrest der Träume analog. Patienten nehmen die theoretischen und andere Voreingenommenheiten, Vorlieben und Präferenzen des Analytikers unter Umständen schon im Erstgespräch anhand der Praxiseinrichtung, der Bücher in den Regalen usw. intuitiv wahr. Die Art und Weise, wie der Analytiker bestimmten Elementen der Lebensgeschichte oder der Träume des Patienten spezielle Aufmerksamkeit widmet, beeinflusst dessen Assoziationen. Patienten reagieren auch auf das Schweigen des Analytikers, seine Fragen, sein Gesamtverhalten usw. Sie hüten ihre Geheimnisse, bis sie genügend Vertrauen gefasst haben. Ihre Assoziationen werden in späteren Analysephasen möglicherweise freier, der Zugang zum Unbewussten verbessert sich, aber die Freiheit der Assoziationen wird immer von den Schicksalen des Übertragungs- Gegenübertragungsfeldes, von vorbewusster und unbewusster Kommunikation und von der interpersonalen Interaktion beeinflusst. Träume mit lockerer Zensur kommen den freien Assoziationen vielleicht am nächsten, auch wenn die Assoziationen zu Träumen ähnliche Probleme aufwerfen wie jeder andere freie Assoziationsprozess. Weil weder die psychische Gegenwart noch die psychische Vergangenheit statische Organisationen sind (Blum 2016), üben Traumata aus der Vergangenheit und aktuelle Traumata Einfluss auf das Assoziieren aus. Wenn die Grundregel und die Aufforderung zum freien Assoziieren als eine Art Befehl erlebt werden, können sie den Patienten zu einer Pseudo-Compliance oder Trotzhaltung veranlassen oder in beiden Beteiligten Zweifel an seiner Analysierbarkeit wecken. Das analytische Bündnis oder der Vertrag wird u.U. zunächst vorläufig eingegangen und muss gedeutet werden. Manche Patienten mit schwacher Realitätsprüfung und Objektkonstanz entwickeln sich besser in einer Behandlung im Sitzen, in der sie den Analytiker sehen können. Die freie Assoziation wird auch durch Faktoren wie etwa die Sitzungsfrequenz beeinflusst. Ob der Patient in Re-analyse oder in Lehranalyse ist, spielt gleichfalls eine Rolle, ebenso wie die mit verschiedenen Lebensphasen einhergehenden Besonderheiten. Spezielle Probleme tauchen auf, wenn ein Familienmitglied eines Analytikers bei einem Kollegen in Behandlung ist, wenn die Behandlung in einer Klinik oder einem Kliniksetting erfolgt oder wenn ein sehr niedriges oder sehr hohes Honorar gezahlt wird. „Kostenfrei“ kann das freie Assoziieren beeinträchtigen. Eine spezifische Grenze des freien assoziativen Prozesses, das vorymbolische, vorsprachliche Material, hängt mit den frühesten Lebensphasen zusammen, in denen
113
Made with FlippingBook - Online magazine maker