Zurück zum Inhaltsverzeichnis
III. Bac. Nordamerikanische objektbeziehungstheoretische Perspektive – Otto Kernberg Unter dem ich-psychologischen Blickwinkel hat man die Objektbeziehungen zuweilen als Teil der Ich-Aktivität (z.B. Bellak 1989) und zuweilen als übergeordnete (Boesky 1983), auf autonomen Ich-Funktionen beruhene Funktionen des Ichs betrachtet. Basierend auf den Beiträgen von Edith Jacobson (1964, 1967, 1971) und Margaret Mahler (1971, 1972; Mahler & Furer, 1968; (Mahler, et al., 1975) sowie unter dem Einfluss von Erik H. Erikson (1951, 1956, 1959), Melanie Klein (1945, 1946, 1952, 1957), Ronald Fairbairn (1954), Donald Winnicott (1958, 1965) und Joseph Sandler (Sandler & Rosenblatt 1962; Sandler & Sandler 1978) hat Otto Kernberg sein integriertes objektbeziehungstheoretisches / ich-psychologisches Verständnis (1983, 1987, 2015a, 2015b, 2020) der psychodynamischen Entwicklung und ihrer Einbindung in Persönlichkeitsorganisation, Motivationssysteme und neurobiologische Grundlagen entwickelt. (Siehe die Einträge OBJEKTBEZIEHUNGSTHEORIEN, KONFLIKT und ICH-PSYCHOLOGIE). Laut Kernberg sind “unbewußte intrapsychische Konflikte nicht einfach Konflikte zwischen Impuls und Abwehr […]. Sowohl Impuls wie Abwehr äußern sich durch eine affektiv gefärbte internalisierte Objektbeziehung” (Kernberg 1988 [1983], S. 306). Gestützt auf sein komplexes theoretisches Modell, postuliert Kernberg eine strukturelle, entwicklungspsychologische und dynamische Beurteilung des Charakters mit Implikationen für den psychoanalytischen Prozess, zu denen auch die Spezifizierung der Parameter für die Verwendung der freien Assoziation zählt. Kernberg (1988 [1983]) konzentriert sich in erster Linie auf die Charakteranalyse bei Borderline- und narzisstischen Patienten und aktualisiert damit sowohl Reichs (1933) als auch Fenichels (1941) Arbeiten über Charakterwiderstände und Charakterpathologien. Er benutzt auch Rackers (1957) Konzepte der konkordanten und komplementären Identifizierung in der Gegenübertragung und bezieht sie auf die freie Assoziation: „Je schwerer die Charakterpathologie des Patienten ist“, so schreibt er, desto stärker äußern sich „pathologische Charakterzüge in der Behandlungssituation eher in nichtverbalem Verhalten als durch freie Assoziation“ (S. 307). Chaotische Verschiebungen in der Übertragung, die auf zwei gegenläufige Gruppen von Objektbeziehungen verweisen, können gleichzeitig aktiv sein und „als Abwehr gegeneinander dienen“ (S. 308), was die Auswahl des zu deutenden Materials ausgesprochen schwierig macht. Aus diesem Grund empfiehlt Kernberg, den Inhalt der freien Assoziationen, die Beschaffenheit der vorherrschenden Interaktionen in der Patient-Analytiker-Beziehung (einschließlich des nonverbalen Verhaltens des Patienten) und die allgemeinen Reaktionen des Patienten auf das psychoanalytische Setting während einer längeren Zeitphase miteinander kombiniert zu evaluieren:
118
Made with FlippingBook - Online magazine maker