Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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III B. POSTFREUDIANISCHE WEITERENTWICKLUNGEN DER ICH- PSYCHOLOGIE / STRUKTURTHEORIE IN NORDAMERIKA

In Nordamerika konnte sich die Ich-Psychologie auch auf Anna Freud (1936/ 1978) berufen, die die maßgeblichen Abwehrfunktionen des Ichs beschrieben und bezüglich der Behandlungstechnik erklärt hatte, dass die optimale Haltung des Analytikers durch eine gleiche Entfernung zu den Abkömmlingen der drei Makrostrukturen Es, Ich und Über-Ich charakterisiert sei. Einflussreiche Vertreter waren auch die „amerikanischen Ich-Psychologen“ Hartmann (1939/1972), Kris und Loewenstein (Hartmann, Kris und Loewenstein 1964) und Rapaport (1959/1960), die die Metatheorie der Psychoanalyse als einer allgemeinen Psychologie systematisieren wollten. Bleibende Beiträge ihrer und der ihnen nachfolgenden Generation stammten darüber hinaus von Fenichel, Nunberg, Waelder, Jacobson, Mahler, Rangell, Loewald, Bergmann, Arlow und vielen anderen. Einige dieser wegweisenden Arbeiten werden i.F. näher erläutert. III Ba. Heinz Hartmann, seine Mitarbeiter und Zeitgenossen “Gerade so, wie Hartmann mit Blick auf jene, die ‚das Unbewusste vor Freud‘ betonten (vgl.Whyte, 1960), erklärte, dass Freud derjenige war, der es systematisiert hat, können wir sagen, dass Hartmann derjenige war, der mehr als jeder andere die vorliegenden Bruchstücke der Ich-Psychologie systematisch zu einem Ganzen zusammensetzte“ (Rangell 1965, S. 7). Heinz Hartmanns Abhandlung „Ich-Psychologie und Anpassungsproblem“, 1939 erstveröffentlicht, stand am Beginn einer ganzen Reihe von Arbeiten über die psychoanalytische Theorie, deren Schwerpunkt die Psychologie des Ichs bildete. Hartmann erweiterte die Ich-Funktionen über die Abwehraktivität hinaus. Er maß der Anpassung besonderes Gewicht bei und postulierte angeborene , vor-konflikthafte, relativ autonome (relativ konfliktfreie ) und präformierte psychische Strukturen, die biologischen Ursprungs sind und in einer durchschnittlich erwartbaren Umwelt zusammenwirken : „Das heißt natürlich nicht, daß das Ich als ein definitives psychisches System angeboren ist; es besagt vielmehr, daß man die Entwicklung dieses Systems nicht nur auf den Einfluß der Realität und der Triebe zurückführen kann, sondern auch auf eine Gruppe von Faktoren, die sich nicht mit den beiden genannten identifizieren läßt“ (Hartmann 1950/1972, S. 124f.). In Zusammenarbeit mit Kris und Loewenstein legte Hartmann die Implikationen und Anwendungen der psychoanalytischen Theorie des Ichs dar (Hartmann, Kris und Loewenstein 1946). Sie definierten jedes der drei Zentren der psychischen Aktivität unter dem Aspekt der jeweiligen Funktionen und der intersystemischen sowie intrasystemischen Beziehungen der drei Zentren. Hartmann hob auch die Bedeutsamkeit einer detaillierten Beschreibung der Eigenschaften der verschiedenen Ich-Funktionen sowie ihrer wechselweitigen

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