Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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dass Einsicht in eine facettenreiche Beziehung eingebettet ist, die eine komplexe korrigierende Erfahrung ermöglicht. Lewis (Lew) Aron (1989, 1990) beklagte eine seiner Ansicht nach unglückliche Dichotomie zwischen Psychoanalytikern, die an einem Eine-Person- Modell der Psyche, einem intrapsychischen Trieb-Struktur-Modell, festhalten und nach wie vor die Methode der freien Assoziation stark gewichten, und jenen, die zu einem relationalen, interaktionalen oder interpersonalen Zwei-Personen-Blickwinkel übergegangen sind, die freie Assoziation häufig bagatellisieren oder ganz auf sie verzichten und den Fokus stattdessen auf die therapeutische Interaktion richten. Aron ging es daraum, die Methode der freien Assoziation im Kontext eines relationalen Zwei-Personen-Modells neu zu konzeptualisieren. So schrieb er: „Als Methode kann die freie Assoziation für Psychoanalytiker jeder theoretischen Orientierung nützlich sein, weil sie an Freuds wichtigste Entdeckungen erinnert, nämlich das unbewusste Seelenleben, den psychischen Determinismus, die psychische Kontinuität und die Bedeutung sowie den Wert und die Priorität des aufmerksamen, zurückhaltenden, disziplinierten Zuhörens seitens des Analytikers, der sich vom Patienten führen lässt“ (Aron 1990, S. 439). Aron knüpft u.a. an Karen Horney (1952/1987) und Phillip Bromberg (1984) und deren interpersonales Verständnis der freien Assoziation an und zitiert auch interpersonale Implikationen der Äußerungen freudianischer Autoren. So zitiert er etwa Ernst Kris (1956) mit den Worten: „Während der Patient zum freien Assoziieren angeleitet wird, muss er lernen, in seinen Kontakt zum Analytiker für sich zu klären, inwieweit das, was er sagt oder denkt, für seinen stummen Zuhörer noch verständlich ist. Wenn wir beobachten, dass ein Patient diesen Kontakt tendenziell verliert, ist es immer von entscheidender Bedeutung, wenn er sich auf die Aufforderung, den Gedanken und Bildern zu folgen, die sich ihm innerlich aufdrängen, ins Monologisieren zurückzieht und sich psychisch isoliert“ (S. 265). Im Kontext des relationalen Modells der Psyche als offenes, stets mit anderen interagierendes System tauchen Assoziationen immer im Kontext der analytischen Interaktion auf. Dazu Aron (1990): „Die Psyche kann nur im Kontext der Interaktion untersucht werden, und die Methode der freien Assoziation ist nur dann hilfreich, wenn wir sie als Methode zur Untersuchung der ‚Psyche‘ in einem sehr spezifischen interpersonalen Kontext anerkennen“ (S. 451). Dieser Ansatz ergänzt sich mit Arons früherer Arbeit mit freien Assoziationen zu Traumelementen (Aron 1989), die den interaktiven Subtext solcher Assoziationen mitberücksichtigte. Die Methode der freien Assoziation ist laut Aron eine Grundlage, auf der Analytiker dem paradoxen klinischen Erfordernis gerecht zu werden versuchen, offen zu sein für das, was der Patient sagt, offen zu sein für Überraschungen, sich aber gleichzeitig an früherer Erfahrung und an theoretischen Modellen zu orientieren. Mithin dient die freie Assoziation dem Analytiker als methodische Struktur, um eine Balance zwischen Beteiligung und Beobachtung sowie zwischen der Fokussierung auf

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